Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. keine Grundsicherung im Alter. Vermögenseinsatz. nicht selbst bewohnte Eigentumswohnung im Ausland hier: Türkei. Miteigentumsanteil. Verwertung. kein Schonvermögen. keine staatlich geförderte zusätzliche Altersvorsorge. keine Härte
Leitsatz (amtlich)
Zum Vermögensschutz nach § 90 Abs 3 SGB 12 bei Partnern einer gemischten Bedarfsgemeinschaft hinsichtlich der Verwertung einer nicht selbst bewohnten Immobilie.
Orientierungssatz
1. Der Miteigentumsanteil eines Hilfebedürftigen an einer Eigentumswohnung im Ausland gehört zum verwertbaren Vermögen iS des § 90 Abs 1 SGB 12.
2. Eine Eigentumswohnung im Ausland, die vom Hilfebedürftigen nicht selbst bewohnt wird, gehört nicht zum Schonvermögen nach § 90 Abs 2 Nr 8 SGB 12 und stellt auch keine zusätzliche Altersvorsorge iS des § 90 Abs 2 Nr 2 SGB 12 dar.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 12. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009.
Die am … 1943 in der Türkei geborene Klägerin erhält seit dem 1. August 2008 eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 82,31 Euro. Ihr am 1. Januar 1945 geborener Ehemann hat im hier maßgeblichen Zeitraum Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen. Am 8. Juli 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII. In der beiliegenden Vermögenserklärung gaben sie und ihr Ehemann an, über Grundeigentum in Ankara (nach Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wohl eine Eigentumswohnung) zu verfügen, das vor 25 Jahren einen Wert von ca. 23.000,00 DM gehabt habe, sowie über eine Forderung von ca. 10.000,00 Euro bei der Yimpas Holding Investment in der Türkei. Zu dem Grundeigentum legte sie im Folgenden eine Bescheinigung in türkischer Sprache vom 15. Juli 2008 vor, in der der Wert der Immobilie mit 21.412,00 Türkischen Lira angegeben ist.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ab, weil das Grundeigentum der Klägerin in der Türkei grundsätzlich als verwertbares Vermögen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einzusetzen sei. Der angegebene Wert von 21.412 Neuen türkischen Lira entspreche nach dem damaligen Wechselkurs 11.024,60 Euro. Der Wert der Wohnung liege damit in Höhe von 7.810,00 Euro über dem Vermögensfreibetrag gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 3.214,00 Euro.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 5. August 2008 mit der Begründung Widerspruch ein, dass sie und ihr Mann das Haus 1981 zu einem Preis von 25.000,00 DM (umgerechnet 12.782,29 Euro) erworben hätten. Bei einem Verkauf des Grundstücks im Wert von 11.024,64 Euro würde ein Verlust in Höhe von 13,75% entstehen. Bereits aus diesem Grund liege eine besondere Härte vor, die eine Verwertung ausschließe. Bereits jetzt lebe sie mit ihrem Mann jährlich zwei bis drei Monate in diesem Haus, sodass eine Privilegierung im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII vorliege. Ab September 2009 würden die Klägerin und ihr Ehemann auf Dauer in diesem Haus leben, sodass der Bezug von Grundsicherung begrenzt sei und eine Verwertung des Alterswohnsitzes ebenfalls zusätzlich eine besondere Härte darstelle. Auch aus diesem Grund sei eine Verwertung daher nicht möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2009 wies das Landratsamt Reutlingen als Widerspruchsbehörde den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Verwertung des Grundstücks stehe nicht § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII entgegen. Das Haus in der Türkei werde derzeit weder von der Klägerin noch von einer Person der Bedarfsgemeinschaft bewohnt. Sozialhilferechtlich sei ein Hausgrundstück nämlich nur insoweit geschützt, als es dem Leistungsberechtigten als Wohnstatt diene. Von einem Bewohnen könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aber nicht gesprochen werden, wenn der Betreffende nicht nur vorübergehend vom Hausgrundstück abwesend sei. Die Klägerin und ihr Ehemann verbrächten nur wenige Monate des Jahres in ihrem Haus in der Türkei. Im Übrigen hätten sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Andernfalls wären sie bereits aus diesem Grund nicht leistungsberechtigt. Ob eine Eigennutzung in Zukunft vorgesehen sei, sei unerheblich. Es komme vielmehr allein auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung an. Bei einer Auslandsimmobilie handele es sich grundsätzlich um verwertbares Vermögen. Außerdem verfüge die Klägerin über Vermögen bei der Yimpas Holding Investment in Höhe von etwa 10.000,00 Euro. Dieses Vermögen liege über der Vermögensschongrenze und sei deshalb einzusetzen. Der pau...