Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Pflegegeld. eigene Sicherstellung der erforderlichen Pflege. zusätzlicher Pflegebedarf bei bereits gewährter Rund-um-die-Uhr-Versorgung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Gewährung von anteiligem Pflegegeld gemäß § 64a SGB XII kommt dann nicht in Betracht, wenn wie hier eine "Rund-um-die-Uhr-Versorgung" schon gewährt wird und daneben kein zusätzlicher Pflegebedarf mehr offen ist, der noch über Pflegegeld abgedeckt werden könnte.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.02.2022; Aktenzeichen B 8 SO 53/21 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung anteiligen Pflegegeldes über den Juli 2018 hinaus.

Die 1960 geborene Klägerin ist aufgrund eines Verkehrsunfalls im Jahre 1979 querschnittsgelähmt i.H.v. C6 mit spastischer Tetraplegie. Sie wohnte damals im Kreis des Beklagten und zog mit Zustimmung des Beklagten in den R-Kreis um. Seither bezieht sie Sozialhilfeleistungen vom Beklagten (bzw. vorgehend von der Stadt R1 im Kreis des Beklagten). Nach einer längeren Rehabilitationsmaßnahme erhält sie von Beginn an eine häusliche (ambulante) „rund-um-die-Uhr-Betreuung“ durch einen Pflegedienst, welche durch Leistungen der Pflegekasse (Pflegegrad 4) und Hilfe zur Pflege durch den Beklagten finanziert wird. Zusätzlich zur Rente wegen Erwerbsminderung erhält die Klägerin Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B, G, H, aG und RF festgestellt.

Aktuell wird die Klägerin seit mehreren Jahren im Rahmen einer 24-Stunden Betreuung durch den Pflegedienst IgGmbH, der eine Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII geschlossen hat, versorgt. Die Klägerin wird durch eine Pflegekraft vor Ort versorgt, der Pflegedienst hält aber zur Sicherstellung der Pflege im Falle etwaiger Fehl- oder Ausfallzeiten im Hintergrund eine weitere Person bereit (Bl. 54 RS SG). Die monatlichen Kosten für den Pflegedienst belaufen sich mittlerweile auf über 13.000 €. Diese Kosten hält der Beklagte für zu hoch und geht von einer Überversorgung der Klägerin aus. In dem Zusammenhang sind Rechtstreitigkeiten geführt worden. Im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes einigten sich die Beteiligten auf die Einholung eines Gutachtens zum Vorliegen von Schluck- und Hustenstörungen sowie Inkontinenz (s. auch LSG Baden-Württemberg, Kosten-Beschluss vom 2.3.2016 - L 7 SO 4373/15 ER-B -). Auf Grund des daraufhin eingeholten Gutachtens der Universität Heidelberg vom 3.8.2016 (Bl. 396 Bd. IV VA) ging der Beklagte von der Notwendigkeit einer 24-Stunden Pflege aus, hielt aber einen Anbieterwechsel auf Seiten der Pflege für geboten.

Mit Bescheid vom 19.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2018 (Bl. 525, 607 Bd. V VA) bewilligte der Beklagte u.a. die Hilfe zur Pflege ab Juni 2018 begrenzt auf 9.000 € monatlich weiter. Bestätigt wurde diese Deckelung im Wesentlichen im weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.6.2018 - L 7 SO 2149/18 ER-B -). Hinsichtlich der Kostenbegrenzung hob der Beklagte den Bescheid vom 19.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2018 im dagegen angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG - S 10 SO 1805/18 -) wieder auf, weil ein alternativer Pflegedienst nicht benannt werden konnte. In der Folge ließ der Beklagte die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Tagesabläufe durch zwei Pflegefachkräfte unabhängig voneinander auswerten. Sowohl die Pflegefachkraft M (Stellungnahme vom 1.2.2019, Bl. 746 VA) als auch die Pflegefachkraft K (Bewertung ohne Datum, Bl. 750 VA) sahen Einsparmöglichkeiten in der Pflege. Die Umsetzung von Vorschlägen des Beklagten zur Kostenverringerung durch eine Organisation der Nachtpflege extern bzw. durch Umzug in eine Wohngruppe (vgl. Bl. 794 VA) sind offen.

Hinsichtlich des vorliegend begehrten anteiligen Pflegegeldes beantragte die Klägerin am 30.5.2018 die Weiterzahlung ab 1.6.2018 (Bl. 559 VA). Der Beklagte zahlte das Pflegegeld bis einschließlich Juli 2018 weiter (als Folge des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 7 SO 2149/18 ER-B, Bl. 611 VA). Mit Bescheid vom 21.9.2018 lehnte er die Weiterbewilligung des anteiligen Pflegegeldes mit der Begründung ab, die gesamte pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung sei ausschließlich durch besondere Pflegekräfte des Pflegedienstes im Rahmen einer 24-Stunden Betreuung sichergestellt. Eine weitere Pflegeperson darüber hinaus sei nicht vorhanden.

Dagegen legte die Klägerin am 28.9.2018 Widerspruch ein (Bl. 707, 721 VA).

Nach Aufforderung des Beklagten teilte die Klägerin einen typischen Tagesablauf mit. Auf Bl. 728 VA wird Bezug genommen.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom...

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