Leitsatz (amtlich)
Eine an Multipler Sklerose leidende Versicherte hat Anspruch auf ein Fußheber- und Oberschenkelsystem Bioness L 300, das auf die Wiederherstellung und Verbesserung des Gehvermögens zielt und damit dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dient. Deshalb bedarf es keiner positiven Bewertung durch den Gemeinsamem Bundesausschuss.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Versorgung mit einem sogenannten Fußheber- und Oberschenkelsystem (Bioness L 300 und L 300 plus) streitig.
Die am 1978 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an Multipler Sklerose (MS) mit sekundär chronischem Verlauf (Erstmanifestation und -diagnose Dezember 2004). Seit Januar 2007 erfolgt eine medikamentöse Behandlung mit Tysabri, unter der es zu keinem weiteren Krankheitsschub gekommen ist. Wegen ausgeprägten Extremitäten- und Rumpftremor erfolgte im Januar 2012 eine tiefe Hirnstimulation (Thalamus, bilateral VIM). Ein Grad der Behinderung von 90 und die Merkzeichen “G„, “B„ und “aG„ sind festgestellt. Seit 2007 bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit beschrieb Pflegefachkraft W., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung, in ihrem Gutachten vom 23. September 2013 als pflegebegründende Diagnosen eine Mobilitätseinschränkung und Gangunsicherheit bei MS, eine links betonte Tetraspastik, eine partielle Darm- und Blasenschwäche sowie eine bilaterale VIM zur Hirnstimulation. Das Gehen in der Wohnung am Rollator sei ausreichend sicher, das Gangbild breitbasig; es bestehe eine linksbetonte Spastik. Für weitere Spaziergänge werde der Rollstuhl genutzt; freies Stehen sei nicht möglich.
Vom 2. bis 23. Juni 2014 befand sich die Klägerin in stationärer neurologischer Rehabilitation. Im Entlassbericht vom 29. Juli 2014 nannte Prof. Dr. F. bei vorgenannten Diagnosen als Funktionsstörungen eine Extremitäten- und Rumpfataxie, eine linksbetonte spastische Paraparese, eine Feinmotorikstörung beidseits und eine Dysarthrie. Die Rumpfausrichtung und die Beweglichkeit der oberen Extremitäten zeigten sich bei Entlassung verbessert. Fortschritte hinsichtlich des Gehvermögens wurden nicht benannt.
Am 26. März 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Versorgung mit einem Fußheber- und Oberschenkelsystem Bioness L300 plus als Hilfsmittel. Beilegt wurde die Verordnung des Arztes für Neurologie Fa. vom 13. März 2015 über das genannte System nach erfolgreicher Erprobung wegen MS; als Zeitraum der Versorgung wurde “auf Dauer„ angegeben. Nach dem vorgelegten Kostenvoranschlag des Sanitätshauses vom 24. März 2015 umfasste die begehrte Versorgung ein NESS L300 Fußhebersystem links (€ 4.943,40), ein NESS L300 Plus upgrade (€ 3.120,12), Anamnese, Vorgespräche mit Ärzten und Therapeuten, Anpassung, Einweisung etc. (€ 874,73), je zehn Sätze Kontaktelektroden und Elektroden Plus upgrade (€ 125,83 und € 166,92), die Dokumentation der Testversorgung, ICF-Score Bewertung, Dokumentation etc. (€ 233,26); insgesamt € 9.464,26. Beigelegt wurde des Weiteren die Dokumentation der Testversorgung vom 11. März 2015 durch Sanitätshaus und der Patientenfragebogen.
Unter dem 26. März 2015 informierte die Beklagte die Klägerin über Einschaltung des MDK sowie mit Schreiben vom 7. April 2015 über eine Verzögerung beim MDK.
In seinem Gutachten vom 8. April 2015 kam Dr. Z., MDK, zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel seien nicht erfüllt. Versorgungsziel sei die Verbesserung der Gehfähigkeit. Die Fähigkeit zur Nutzung sei unklar, da für längere Gehstrecken ein Rollstuhl benutzt werde. Das Gangbild erscheine - u.a. nach Auswertung der vorgelegten Videoaufzeichnung - auch mit Fußhebersystem ungelenk. Das Fußhebersystem sei ein Muskelschrittmacher für die Fußhebermuskulatur, der durch elektrische Impulse die Fußhebermuskulatur zur Kontraktion bringe. Dabei würden die Impulse durch einen Fußsohlensensor gesteuert. Bei der Klägerin sei aber durch die MS die gesamte Beinmuskulatur in ihrer Koordination und Kraft gestört. Die Gangstörungen der Klägerin seien also nicht allein durch eine Fußheberschwäche bedingt. Auch herkömmliche statische oder dynamische Fußheberorthesen könnten einem Fallfuß links entgegenwirken. Die Überlegenheit des begehrten Systems sei nicht bewiesen, da bei der Videodokumentation des Gangbilds kein Vergleich mit einer angepassten Peronäusschiene erfolgt sei.
Mit Bescheid vom 14. April 2015 lehnte die Beklagte die begehrte Versorgung ab, da die medizinischen Voraussetzungen für das Hilfsmittel nicht vorlägen. Nach Abklärung durch den MDK fehle der Nachweis, dass allein durch das begehrte System die Gehfähigkeit...