Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Entlassungsbericht über eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. keine Verwendung der Vordrucke der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann die ärztliche Feststellung in einem Entlassungsbericht über eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme, der Versicherte sei arbeitsunfähig, als Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit für den Anspruch Krankengeld ausreicht.
Orientierungssatz
Auf die Verwendung des (für Vertragsärzte) in den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (juris: AURL) nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB 5 vorgeschriebenen Vordrucks kommt es nicht an (vgl BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 20/11 R = BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4 und vom 12.3.2013 - B 1 KR 7/12 R).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Mai 2015 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Gewährung von Krankengeld für den 4. Oktober 2012 verurteilt wurde; insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Krankengeld für die Zeiträume vom 18. September bis 4. Oktober 2012 und vom 18. Oktober 2012 bis 11. März 2013.
Die am … 1969 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin ist gelernte Bürokauffrau, war seit 2009 aber als Pflegehelferin in einem Altenheim versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt vom 1. bis zum 31. Dezember 2011. Am 5. Dezember 2011 wurde Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgie sowie sonstige Spondylose mit Radikulopathie ärztlich festgestellt. Die Beklagte gewährte Krankengeld u.a. vom 1. Januar bis 27. August 2012 in Höhe von € 24,58 brutto (€ 21,56 netto) kalendertäglich.
Am 17. August 2012 informierte die Klägerin die Beklagte telefonisch über die Bewilligung von Rehabilitationsleistungen durch den Rentenversicherungsträger; der Aufnahmetermin sei noch nicht bekannt. Nach einem Aktenvermerk vom 17. August 2012 sei der Klägerin das weitere Verhalten bei Entlassung als arbeitsfähig oder arbeitsunfähig erklärt worden.
Für die Zeit der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme in den S. Kliniken B. R. auf Kosten des Rentenversicherungsträgers vom 28. August bis 17. September 2012 gewährte die Deutsche Rentenversicherung Bund Übergangsgeld. Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig. Der dies bestätigende Entlassungsschein der Klinik vom 17. September 2012 enthielt u.a. folgenden Hinweis: “Falls Sie Mitglied einer Krankenkasse sind, bitten wir Sie, diesen Entlassungsschein (innerhalb von 7 Tagen nach Abschluss dieser Leistungen) auszuhändigen.„ Die Beklagte erhielt am 21. September 2012 Kenntnis von der Entlassung als arbeitsunfähig.
Im Entlassungsbericht vom 20. September 2012 diagnostizierte Dr. Dr. H. eine pseudoradikuläre Lumboischialgie rechts bei Osteochondrose und medialer Protrusion L5/S1 sowie eine Adipositas per magna. Nach Beendigung des Heilverfahrens bestehe weiterhin Arbeitsunfähigkeit; auf Dauer könne die bisherige Tätigkeit als Altenpflegehelferin nicht mehr fortgeführt werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten auf Dauer leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen mit Heben und Tragen bis 5 kg, ohne häufiges Knien, Bücken, Treppensteigen, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule in vor-, rückgebeugter und gedrehter Körperhaltung vollschichtig (sechs Stunden und mehr) durchgeführt werden.
Am 17. September 2012 vereinbarte die Klägerin telefonisch einen Termin zur Vorstellung beim behandelnden Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Hi.. Dieser bescheinigte im Auszahlungsschein vom 4. Oktober 2012 aufgrund einer persönlichen Vorstellung der Klägerin am selben Tag fortbestehende Arbeitsunfähigkeit wegen M54.4G (Lumboischialgie); als nächster Praxisbesuch wurde der 18. Oktober 2012 angegeben.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 bewilligte die Beklagte Krankengeld für die Zeit vom 4. bis 17. Oktober 2012 und lehnte eine weitergehende Krankengeldgewährung. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich spätestens einen Tag nach Entlassung aus der Rehabilitation wieder arbeitsunfähig zu melden. Ihre Arbeitsunfähigkeit sei am 4. Oktober 2012 erstmals wieder bescheinigt worden. Es lasse sich nur noch für den nachgehenden Leistungsanspruch im Rahmen des § 19 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Anspruch auf Krankengeld bis zum 17. Oktober 2012 ableiten.
In der Folge meldete sich die Klägerin nicht bei der Agentur für Arbeit arbeitslos und bezog kein Arbeitslosengeld. Ab dem 18. Oktober 2012 war sie als freiwilliges Mitglied ohne Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert. In von ihr vorgelegten Attesten bescheinigte Dr. Hi., dass sie seit der Entlassung aus der Reha am 17. September 2012 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sei (Attest vom 10. Oktober 2012). Bereits am 17. September 2012 habe sie eine Terminvereinbarun...