Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnarzt. Zulassungsentziehung. gröbliche Pflichtverletzung. keine Weiterleitung von für Zahntechniker bestimmte Gelder

 

Orientierungssatz

1. Eine Zulassungsentziehung setzt eine gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten voraus und ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie auch unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung herrschenden Verhältnisse nicht unverhältnismäßig ist.

2. Ein Vertragszahnarzt verletzt nicht nur Pflichten im privatrechtlichen Verhältnis zwischen Zahntechnikern und ihm, sondern auch öffentlich-rechtliche Pflichten im Verhältnis zu den Versicherten und einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung, wenn er die für die Zahntechniker bestimmten Gelder nicht weiterleitet, sondern für eigene Zwecke verwendet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.06.2001; Aktenzeichen B 6 KA 5/01 B)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm erteilten Zulassung zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung.

Der 1945 in Polen geborene, 1971 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelte und ursprünglich als Sportlehrer tätige Kläger schloss 1985 erfolgreich das Studium der Zahnmedizin ab und ist nach einer vorübergehenden Niederlassung als Vertragszahnarzt in E seit August 1992 als Vertragszahnarzt in H-B niedergelassen (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 26.06.1992).

Wirtschaftliche Grundlage der Praxisgründung in H war ein von der B W Bank-AG (BW-Bank) bewilligter Bankkredit in Höhe von 500.000 DM, zu dessen Absicherung der Kläger der Bank seine Honoraransprüche gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Stuttgart (KZV), der Beigeladenen zu 1, seine Forderungen gegenüber Patienten mit dem Anfangsbuchstaben A-S sowie die Rechte und Ansprüche aus Risikolebensversicherungen und Rechte und Ansprüche aus neu abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen abgetreten und die zahnmedizinische Praxiseinrichtung einschließlich der Ersatzbeschaffungen zur Sicherung übereignet hat. Alle Zahlungen mussten dementsprechend über die BW-Bank abgewickelt werden. Dabei kam es eigenem Bekunden des Klägers zufolge spätestens Ende 1993 zu Zahlungsschwierigkeiten, in deren Folge seit August 1993 in Auftrag gegebene zahntechnische Arbeiten bei dem Dentallabor R in H mit einem Wert von 25.000,-- DM zur Zahlung offen blieben. Gleichwohl erteilte der Kläger weitere Aufträge über zahntechnische Leistungen zunächst an das Dentallabor R und später an das Dentallabor S, die Firma H Dentaltechnik GmbH, die Firma W und S GmbH sowie schließlich die Firma A-Oral-Zahntechnik.

Obwohl die Labors, die zum Teil um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten wussten, dem Kläger ein Zahlungsziel von bis zu drei Monaten einräumten, blieben in der Folge erhebliche Rechnungsbeträge offen. Dadurch sind nach Feststellungen des Land- und des Amtsgerichts H von Januar 1994 bis Juli 1995 offene Zahntechnikerrechnungen im Wert von gut 190.000,-- DM aufgelaufen (R Zahntechnik GmbH, H, 37 Rechnungen vom 12.01. bis 04.05.1994: 30.807,14 DM; Dentaltechnik S, M, 37 Rechnungen: 38.450,28 DM; H Dentaltechnik, Ö, 21 Rechnungen: 26.224,48 DM; A-Oral-Zahntechnik, H GmbH, S, 23 Rechnungen: 29.106,76 DM; W und S GmbH, Dentallabor, L 43 Rechnungen: 65.483,73 DM; Gesamtsumme: 190.820,37 DM).

Das Landgericht Heilbronn verurteilte deswegen den Kläger mit Urteil vom 03.02.1997 unter Einbeziehung einer vom Amtsgericht Heilbronn mit Urteil vom 15.10.1996 wegen Betrugs zu Lasten der Dentallabors S, H, W und S sowie A Oral-Zahntechnik in 124 Fällen verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Betrugs in weiteren 37 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Es führte dazu aus, bei Bildung der Gesamtstrafe sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger nicht vorbestraft gewesen sei und sein Fehlverhalten eingestanden habe und dass die geschädigten Dentallabors sich früher als geschehen um Schadensbegrenzung hätten bemühen können. Zu Lasten des Klägers habe sich die große Anzahl der begangenen Straftaten ausgewirkt, die nur wegen der gleichartigen Begehungsweise und dem engen zeitlichen Zusammenhang einen so außerordentlich günstigen Strafzusammenzug gestattet habe. Die Kammer sei überzeugt, dass eine Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen, aber auch ausreichend sei, um den Kläger in Zukunft von der Begehung ähnlicher Straftaten abzuhalten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe sei unter Hintanstellung erheblicher Bedenken zur Bewährung ausgesetzt worden. Dies stütze sich im wesentlichen darauf, dass die Freiheitsstrafe (auch) im Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 15.10.1996 zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Es sei zu erwarten, dass der Kläger auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde.

Gestützt auf die im strafrechtlichen Verfahren gewonnenen Feststellungen entzog der Zulassungsausschuss für Zahnärzte für den ...

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