Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Techniker. Einsatz bei Reparaturarbeiten an Radargeräten. Non-Hodgkin-Lymphom. beidseitige Katarakte. Radarschädigung. qualifizierte Krankheiten. Voraussetzungen
Leitsatz (amtlich)
Wann liegen qualifizierte Krankheiten bei Radarschädigung vor.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Ausgleichsleistungen wegen einer Wehrdienstbeschädigung streitig.
Der 1940 geborene Kläger war seit dem 1. April 1963 bei der Bundeswehr Berufssoldat. Im Dezember 1978 wurde in der Medizinischen Universitäts- und Poliklinik K. der Verdacht auf ein präleukämisches Stadium im Rahmen einer Leukose des lymphatischen Formenkreises geäußert. Die manifeste Hämolyse sei hingegen bezüglich des roten Blutbildes voll kompensiert. Der Kläger habe über gelegentliche Kopfschmerzen, von körperlicher Belastung unabhängige pectanginöse Beschwerden sowie häufig rezidivierende Infekte berichtet. Das Krankheitsbild bedürfe einer engmaschigen Beobachtung (Arztbrief vom 18. Dezember 1978, Bl. 98 Verwaltungsakte). Der Direktor des Pathologischen Instituts K., Prof. Dr. F., führte in seinem Gutachten vom 3. April 1979 aus, der Kläger sei als Offizier dann nicht mehr verwendbar, wenn sich im weiteren Verlauf eine Haarzell-Leukämie voll ausbilde. Aber auch der chronische Fortbestand einer nicht leukämisch bedingten hämolytischen Grunderkrankung werde zu einer zunehmenden Störung der Markfunktion bzw. Anämie mit gleicher negativer Verwendbarkeit führen. Die Frühpensionierung des Klägers als Hauptmann erfolgte am 31. Januar 1980 wegen schicksalsmäßiger weitgehend nicht zu behandelnder “Veränderungen im Blutsystem„. Seitdem ist der Kläger selbstständig als Diplom-Informatiker tätig und - mit Ausnahme der Beihilfe - nicht krankenversichert.
Bei einer Kontrolluntersuchung im Universitätsklinikum T. 2003 wurde aufgrund der völlig unauffälligen Befunde des Blutbilds wie des Differenzialblutbilds, insbesondere der Immunphänotypisierung und dem gleichzeitigen Fehlen einer Milzvergrößerung oder einer Lymphadenopathie eine Haarzell-Leukämie ausgeschlossen; ein malignes Lymphom sei extrem unwahrscheinlich. Auch eine hämolytische Anämie liege nach den erhobenen Befunden nicht vor. Die in K. 1979 dokumentierte Bilirubinerhöhung, wegen derer weder eine Therapie eingeleitet noch eine hämatologische Kontrolluntersuchung durchgeführt worden sei, sei einem jetzt molekularbiologisch belegten Morbus Meulengracht, einer häufig genetisch bedingten Störung im Bilirubinstoffwechsel ohne Krankheitswert, zuzuordnen. Ganz im Vordergrund stehe der seit 1983 insulinabhängige Diabetes mellitus Typ II bei gleicher Vorerkrankung einer Tante (vgl. Arztbericht Prof. Dr. K. vom 14. März 2003, Bl. 122 ff Senatsakte).
Am 30. Juli 2001 machte der Kläger bei der Wehrbereichsverwaltung eine Wehrdienstbeschädigung geltend unter Hinweis darauf, dass er als Techniker in den Jahren 1968 bis 1970 bei Reparaturarbeiten von Radargeräten hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt gewesen sei und deswegen an vielfältigen Gesundheitsstörungen leide. Zu seinen Einsätzen bei der Bundeswehr befragt führte er aus, er habe im Jahr 1968 an einem HAWK-Supervisor-Lehrgang in den USA teilgenommen, davon einen Monat am High-Power-Radargerät ganztägig gearbeitet. Vom 1. Oktober 1969 bis 31. Juli 1970 sei er als Techniker mit der Betreuung eines Radargeräts des HAWK-Systems betraut gewesen und habe nahezu täglich, im Mittel einen halben Arbeitstag, an diesen Geräten gearbeitet. In der Zeit vom 1. August bis 30. September 1971 sei er Leiter der Instandsetzung/HAWK-Waffensystem gewesen und habe gelegentlich an Radargeräten gearbeitet. Im November 1970 habe er an einem Lehrgang teilgenommen, bei dem halbtags am geöffneten Radargerät gearbeitete worden sei (Bl. 15 V-Akte). Nachfolgende Gesundheitsstörungen führte der Kläger auf die Strahlenbelastung zurück:
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- Sprue-ähnliche Symptomatik, keine Besserung bei Glutenabstinenz (ab 1970) |
- Blutungen Zahnfleisch, Mundschleimhaut, Nasenschleimhaut (ab 1970) |
- Erhöhte Transaminasen- und Bilirubinwerte (ab 1978) |
- Diagnosestellung Erkrankung des hämatopoetischen Systems (1978) |
- Beeinträchtigung des Hörvermögens (1978) |
- Periphere Neuropathie (beginnend 1980) |
- Parodontoseoperationen, 4 Quadranten (1980 - 1990) |
- Atrophie der Hand- und Fußmuskulatur (ab 1980) |
- Spermiogenesestopp (ab 1980) |
- Insulinpflichtiger Diabetes mellitus, 50 - 54 IE/tgl. (ab 1993) |
- Aspirinabusus-ähnliche Magenblutungen ohne entsprechenden Konsum (1993) |
- Katarakte beidseits (Operationen 1994 und 1995) |
- Intermittierend Fußödeme sowie Hämatome an Einstichstellen (ab 1994) |
- Fortschreitende Dysfunktion der Unterschenkelmuskulatur (Bl 16 V-Akte) |
Am 26. November 2001 stellte er beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) ebenfalls einen ...