Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldes. Bemessungsentgelt. Bemessungszeitraum und -rahmen. Nichtberücksichtigung des Arbeitsentgelts aus einer Vorbeschäftigung in der Schweiz. Grenzgänger. letzte Beschäftigungszeit im Inland. keine Erweiterung des Bemessungsrahmens. keine unbillige Härte. Europarechtskonformität

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes aus einer Beschäftigung in Deutschland kann eine zuvor in der Schweiz als Grenzgängerin ausgeübte besser entlohnte Tätigkeit nicht berücksichtigt werden, wenn hierzu der Bemessungsrahmen des § 150 Abs 1 SGB III erweitert werden müsste; eine unbillige Härte nach Absatz 3 dieser Vorschrift liegt in einem solchen Fall nicht vor.

 

Orientierungssatz

Es ist mit höherrangigem EU-Recht vereinbar, dass das koordinierende Sozialrecht bei der Bemessung der Arbeitslosenunterstützung ausschließlich an das zuletzt erzielte Entgelt einer Inlandsbeschäftigung anknüpft und ggf höhere Verdienste einer vorangegangenen Auslandsbeschäftigung außer Betracht bleiben (Anschluss an BSG vom 17.9.2020 - B 11 AL 1/20 R = SozR 4-6065 Art 62 Nr 2).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.03.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldes ab dem 01.06.2019.

Die Klägerin übte vom 01.06.2013 bis zum 30.06.2018 eine Beschäftigung bei der N AG in W in der Schweiz aus. Danach war sie vom 01.07.2018 bis zum 31.05.2019 bei der W GmbH in G in Deutschland beschäftigt.

Die Klägerin meldete sich am 27.02.2019 bei der Beklagten arbeitssuchend und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.06.2019. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons A meldete mit dem PD U1 (portable document) den Zeitraum vom 01.06.2013 bis zum 30.06.2018 als versicherte Beschäftigungszeit und teilte das erzielte Einkommen mit.

Mit Bescheid vom 22.05.2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 01.06.2019 bis zum 30.05.2021 in Höhe von täglich 38,68 Euro und legte als Bemessungszeitraum den Zeitraum vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 zugrunde.

Dagegen legte die Klägerin am 29.05.2019 Widerspruch ein und führte an, dass die Regelbemessung eine unbillige Härte nach § 150 Abs. 3 SGB III darstelle. Das Gehalt bei der Beschäftigung bei der W GmbH sei erheblich niedriger gewesen als bei der vorherigen Beschäftigung als Grenzgängerin bei der N. Die Beschäftigung bei der W GmbH habe sie nach Vermittlung durch die Beklagte trotz erheblicher Gehaltseinbußen angenommen, um eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie verlange eine Bemessung unter Beachtung eines zweijährigen Bemessungsrahmens und unter Einbeziehung des in der Schweiz erzielten höheren Arbeitsentgelts.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2019 zurück. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Bemessungsrahmen die Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 umfasse. Im Bemessungszeitraum sei in 335 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 33.000 € erzielt worden. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 98,51 €. Bei der Berechnung der Abzüge seien Freibeträge und Pauschalen, die nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen. Die individuellen Freibeträge bzw. Pauschalen der Klägerin müssten deshalb bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes außer Betracht bleiben. Maßgeblich sei die Lohnsteuerklasse eins, damit ergebe sich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ein Leistungsentgelt i.H.v. 64,47 €. Die Klägerin habe Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem allgemeinen Leistungssatz von 60 % des Leistungsentgelts; damit belaufe sich das Arbeitslosengeld auf täglich 38,68 €. Bei Arbeitslosen, die zuletzt vor der Arbeitslosmeldung nach deutschem Recht beschäftigt waren, sei bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nach Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) 883/2004 ausschließlich das deutsche Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Ausländische Versicherungs- und Beschäftigungszeiten müssten bei der Bildung des Bemessungszeitraumes außer Betracht bleiben. Die Einbeziehung des in der Schweiz erzielten Arbeitsentgelts in die Prüfung einer unbilligen Härte nach § 150 Abs. 3 SGB III sei daher nicht möglich.

Die Klägerin hat am 28.06.2019 über ihren Bevollmächtigten Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Sie hat vorgetragen, dass von einer unbilligen Härte nach § 150 Abs. 3 SGB III auszugehen sei. Das Gehalt bei ihrer zuletzt in Deutschland ausgeübten Beschäftigung sei deutlich niedriger als das zuvor erzielte in der Schweiz. Auch habe sie ohne hierzu leistungsrechtlich verpflichtet zu sein, im Nachgang zum Grenzgängerbeschäftigungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis mit der deutschen Firma trotz erheblichster Gehaltseinbußen abgeschlossen, um eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie habe sich hierdurch unter höchster Mitwirkun...

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