Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. Verfahrensfehler. Gerichtsentscheidung (hier: Gerichtsbescheid) im schriftlichen Verfahren. Namensangabe der beteiligten Berufsrichter im Rubrum. qualifizierte elektronische Signatur. keine erneute Namensnennung am Ende des elektronischen Dokuments. keine Unwirksamkeit der Entscheidung. kein Zurückverweisungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch eine im schriftlichen Verfahren ergangene Gerichtsentscheidung, welche die beteiligten Berufsrichter im Rubrum anführt und von diesen qualifiziert elektronisch signiert wurde, ist nicht deswegen unwirksam bzw als Nichtentscheidung anzusehen, weil am Ende des elektronischen Dokuments entgegen § 65a Abs 7 SGG die Namen der Berufsrichter nicht erneut aufgeführt sind.

2. Zum Fehlen eines Zurückverweisungsgrundes nach § 159 SGG beim Vorliegen eines Formfehlers nach Ziff. 1.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.05.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung des Merkzeichen H (Hilflosigkeit).

Der Kläger ist 1998 geboren. Er leidet an einem Pankreas anulare (Fehlanlage der Bauchspeicheldrüse), einem Zustand nach Duodenalstenose - Operation am 28.05.1998, einer spastischen Diplegie und einem verzögerten Erreichen von Entwicklungsstufen. Er beantragte, vertreten durch seine Mutter, am 01.03.2002 erstmals die Feststellung von Behinderungen nach dem SGB IX. Mit Bescheid vom 18.04.2001 stellte der Beklagte einen GdB von 80 sowie die Merkzeichen G, B, H und aG fest und berücksichtigte hierbei als Funktionsbeeinträchtigung eine infantile Cerebralparese und eine motorische Entwicklungsstörung.

Mit Bescheid vom 05.09.2008 erhöhte der Beklagte gestützt auf eine vorangegangene versorgungsärztliche Einschätzung unter Berücksichtigung der Funktionsbehinderungen „infantile Cerebralparese, psychomotorische Entwicklungsstörung“ (Teil-GdB 90) den GdB auf 90 unter Beibehaltung der bereits zuerkannten Merkzeichen. Er berücksichtigte hierbei unter anderem ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 11.08.2006 über die Feststellung der Pflegestufe I mit einem Grundpflegebedarf von 80 Minuten und einem hauswirtschaftlichen Hilfebedarf von 60 Minuten.

Mit Bescheid vom 19.10.2012 teilte der Beklagte als Ergebnis eines Nachprüfungsverfahrens nach Beiziehung eines Pflegegutachtens vom 17.08.2010 über die Beigehaltung der Pflegestufe I mit, dass keine Änderung eingetreten sei und es bei den bisher getroffenen Feststellungen verbleibe.

Im Dezember 2017 leitete der Beklagte ein weiteres Nachprüfungsverfahren ein und zog unter anderem einen erzieherischen Entwicklungsbericht vom 07.07.2017 sowie das Abschlusszeugnis vom 20.07.2017 der S1- Schule, ein Pflegegutachten vom 10.05.2016 über einen Grundpflegebedarf von 50 Minuten und einen hauswirtschaftlichen Hilfebedarf von 60 Minuten, eine Einschätzung des Hilfebedarfs durch den F sowie einen Bericht über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 04.12.2017 bis zum 18.12.2017 in der C Klinik des Uklinikums H bei. P teilte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.02.2018 mit, dass die Funktionsbeeinträchtigungen „Infantile Cerebralparese, psychomotorische Entwicklungsstörung“ (Teil-GdB 90) und „Speiseröhrengleitbruch, Upside-Down-Magen, operative versorgt: Plazierung Fundoplicatio und Einengung der Hiatoplastik“ (Teil-GdB 20) einen GdB von insgesamt 90 rechtfertigten. Dagegen seien die Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Merkzeichen H nicht mehr gegeben. Dauernde fremde Hilfe für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sei nicht erforderlich.

Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 19.03.2018 zur beabsichtigten Entziehung des Merkzeichens H an.

Die Mutter des Klägers trug mit Schreiben vom 06.04.2018 vor, dass der Kläger nach wie vor Pflege und Hilfe brauche. Die Familie helfe ihm beim Baden und Duschen sowie Waschen des Körpers. Er könne zwar selbst die Zähne putzen, man müsse ihm jedoch alles reichen, da das Bad zu eng zum Rein- und Rausfahren mit dem Rollstuhl sei.

P teilte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.04.2018 mit, dass das Merkzeichen H weiterhin gewährt werden könne. Auf der Stellungnahme befindet sich ein handschriftlicher Vermerk ohne lesbare Unterschrift, wonach das Merkzeichen H aufgrund der beigezogenen Unterlagen nicht zu rechtfertigen sei.

Der Beklagte hob mit Bescheid vom 28.05.2018 den Bescheid vom 05.09.2008 hinsichtlich des Merkzeichens H teilweise nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zeit ab dem 31.05.2018 auf und teilte mit, dass die Merkzeichen G, B und aG sowie der GdB von 90 weiter festgestellt blieben.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte am 12.06.2018 Widerspruch ein und teilte zur Begründung mit, dass keine Veränderung der Verhältnisse...

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