Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. arbeitstechnische Voraussetzung. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule bei L5/S1 und/oder L4/L5. Deutsche Wirbelsäulenstudie. Konsensempfehlungen. Mainz-Dortmunder-Dosismodell. Gesamtbelastungsdosis ab 12,5 MNh. haftungsbegründende Kausalität. Konstellation B 4. wesentliche Mitursache. Konkurrenzursache. degenerativer Schaden. Blechner. Installateur
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen berufsbedingtem Heben und Tragen schwerer Lasten iS der BK Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV (juris: BKV Anl 1 Nr 2108) sind die so genannten Konsensempfehlungen nicht schematisch anzuwenden. So kann die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nach der Konstellation B 4 (bandscheibenbedingte Erkrankung bei L5/S1 und/oder L4/L5) nicht deshalb bejaht werden, weil die bandscheibenbedingte Erkrankung bei L5/S1 lokalisiert ist, wenn gerade das Segment L4/5 trotz der beruflichen Expositionen gar keine Bandscheibenveränderungen zeigt.
2. Soweit die Konsensempfehlungen eine ausreichende Exposition voraussetzen, ist damit nicht der vom BSG im Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R = UV-Recht Aktuell 2009, 287) konstituierte Grenzwert von 12,5 MNh (= die Hälfte der nach dem MDD erforderlichen Mindestexposition) gemeint.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.02.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist nur noch die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 (im Folgenden BK 2108) der Anlage 1 zu Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1953 geborene Kläger, der von 1968 bis 1971 den Beruf des Blechners und Installateurs erlernte, war anschließend in seinem Ausbildungsbetrieb ohne Unterbrechung bis Ende 2003 beschäftigt.
Er war nach seinen Angaben etwa zur Hälfte als Installateur bzw. Blechner eingesetzt, mit Ausnahme der Jahre 1987 bis 1993 (ein Drittel Installateur, zwei Drittel Blechner) und ab 1994 (ausschließlich Blechbearbeitung). Als Blechner stellte er Dachrinnen und Fallrohre, Gaubenverkleidungen und Dächer her und montierte diese. Dabei fielen zu hebende und tragende Lasten bis 50 kg, nach späteren Angaben des Klägers auch darüber an. Als Installateur war er mit dem Verlegen von Wasser- und Abwasserrohren beschäftigt, wobei ab den 1990er-Jahren Kunststoffrohre anstelle von auch auf der Schulter getragenen Gussrohren mit Durchmessern bis 100 mm und Gewichten bis zu 35 kg zum Einsatz kamen. Daneben mussten auch Werkzeuge bis 50 kg getragen werden. Teilweise mussten die Tätigkeiten auch in extremer Rumpfbeugehaltung verrichtet werden. Hinsichtlich der Einzelheiten der vom Kläger angegebenen Belastungen wird auf den von ihm ausgefüllten Erhebungsbogen (Bl. 17 VerwA) und die Dokumentationen des Technischen Aufsichtsdienstes - TAD - (Bl. 27 ff. SG-Akten, Bl. 3 ff. LSG-Akte) Bezug genommen.
Erstmals im Jahre 1980 traten beim Kläger Rückenschmerzen auf (vgl. Angaben des Klägers im Formular Arbeits-/Krankheitsanamnese, Bl. 11 VerwA). Vom 08.01. bis 07.02.1987 und dann erneut vom 06.09. bis 08.09.1989 war der Kläger wegen Lumboischialgien arbeitsunfähig. Weitere Daten der Krankenkasse liegen dann erst wieder für die Zeit ab Mai 1996 vor. Hiernach war der Kläger zunächst vom 18.06.2002 bis 03.11.2002 und dann erneut vom 16.05.2003 bis 06.06.2003 wegen eines Zervicalsyndroms arbeitsunfähig. Am 18.08.2003 trat erneut Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgie bei im Magnetresonanztomogramm (MRT) vom Juli 2003 u.a. beschriebenem Bandscheibenvorfall L5/S1 ein, die bis zum 05.09.2004 andauerte und zunächst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers führte. Schon davor hatte der Kläger seit Jahren Lumboischialgien mit Ausstrahlung ins Gesäß (Befundbericht Dr. S. vom September 2003, Bl. 31 VerwA).
Im Juni 2003 zeigte der Kläger bei der Beklagten das Vorliegen einer BK 2108 und 2109 an, worauf die Beklagte nach Auswertung des vom Kläger ausgefüllten „Erhebungsbogen zur Ermittlung der Belastung der Wirbelsäule“, Beiziehung medizinischer Unterlagen sowie des Vorerkrankungsverzeichnisses der A. - Die Gesundheitskasse S.O.und Hinzuziehung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Arbeits- und Sozialmedizin Dr. F. (keine ausreichende berufliche Belastung, multisegmentale Bandscheibendegeneration in der HWS und LWS bei Morbus Scheuermann, kein belastungskonformes Schadensbild) mit Bescheid vom 11.02.2004 die Anerkennung einer BK 2108 bzw. 2109 ablehnte. Der dagegen ohne Begründung eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.12.2004).
Am 21.12.2004 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Auf Veranlassung des SG hat die Beklagte die auf der Grundlage eines mit dem Kläger geführten Gesprächs erstellte Belastungsdokumentation ihres technisch...