Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. sonstiger geeigneter Ort. Aufenthalt in einer Wohngemeinschaft. keine eigenständige Haushaltsführung durch Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Mitglieder einer Wohngemeinschaft, die deshalb nicht in einem eigenen Haushalt leben, weil sie aufgrund ihrer Erkrankungen zu einer eigenständigen Haushaltsführung nicht mehr in der Lage sind, können dennoch Anspruch auf häusliche Krankenpflege haben, weil die Wohngemeinschaft ein geeigneter Ort iSd § 37 Abs 2 Satz 1 SGB 5 ist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.04.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin von Kosten für häusliche Krankenpflege in Höhe von 10.288,03 € freizustellen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.288,03 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 geltend.

Die Klägerin ist die Ehefrau und Erbin des am 25.07.1918 geborenen und am 12.02.2009 verstorbenen Versicherten J. N. (nachfolgend Versicherter), welcher bei der Beklagten als Rentner in der Krankenversicherung der Rentner gesetzlich versichert war. Der Versicherte und die Klägerin erteilten ihrer Tochter mit notarieller Ausfertigung vom 07.02.2002 Vorsorgevollmacht (Bl 11a bis 11e der Verwaltungsakte). Der Versicherte litt an Demenz bei zerebraler Gefäßstörung, einer koronaren Herzerkrankung, einer chronischen venösen Insuffizienz sowie Polyarthrose. Er bewohnte seit dem 18.02.2008 ein Zimmer in einer Wohngruppe in der L.-Straße ... in T.. Bis dahin hatte er mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.

Nach dem Wohnungsmietvertrag vom 18.02.2008 wurde ein Zimmer von einer Größe von 15,8 qm vermietet. Zudem bestand die Berechtigung zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsräume (Esszimmer, Wohnzimmer, Leseecke, einer Küche mit Hauswirtschaftsbereich, drei Bädern mit Toilette, einer separaten Toilette sowie Garten und Terrasse). Neben der monatlichen Kaltmiete und der Heizkostenpauschale wurde eine Pauschale von 300 € für die Telefonbenutzung, die Nutzung des Treppenliftes, die Bereitstellung von Verbrauchsmaterial im Haushalt, die Bereitstellung von Lebensmitteln für Frühstück, Mittag- und Abendessen und Zwischenmahlzeiten und die Bereitstellung von nichtalkoholischen Getränken vereinbart (Bl 28 - 28d der Verwaltungsakte). Des Weiteren schloss der Versicherte, vertreten durch seine Tochter, am 18.02.2008 einen Pflege- und Betreuungsvertrag über ambulante Kranken- und Altenpflegeleistungen mit dem Pflegedienst K. in T., einem nach den §§ 72 SGB XI, 132, 132a SGB V zugelassenen Leistungserbringer, ab (Bl 32 bis 32 d der Verwaltungsakte). Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 2 Art und Umfang der vom Leistungserbringer zu erbringenden Leistungen

I. Der Leistungserbringer hält die in Anlage I aufgeführten Leistungen nach den §§ 36 ff. SGB XI sowie nach §§ 37 bis 38 SGB V vor. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, diese Leistungen im Rahmen des vereinbarten Umfanges zu erbringen….

§ 3 Kosten

I. Soweit von dem Leistungserbringer Leistungen erbracht werden, die nach dem SGB V, dem SGB XI, dem BSHG oder einem anderen Leistungsgesetz (z.B. Bundesversorgungsgesetz) unmittelbar mit einem Kostenträger abgerechnet werden können, verpflichtet sich der Leistungserbringer zur Durchführung dieser Abrechnungsweise. Dies gilt nur im Rahmen der entsprechenden Genehmigungen, Kostenübernahmeerklärungen, ärztlichen Verordnungen und Leistungsbescheide. Der Leistungsnehmer seinerseits verpflichtet sich, im Rahmen des gesetzlich Zulässigen etwa notwendig werdende Anträge bei Sozialversicherungsträgern oder Sozialhilfeträgern zu stellen; dies gilt insbesondere für Anträge auf Festsetzung einer höheren Pflegestufe (§ 15 SGB XI).

V. Werden Leistungen erbracht, obwohl eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung oder ein Leistungsbescheid des Kostenträgers noch nicht vorliegt, widerrufen ist oder die Leistungen von einer Genehmigung nicht erfasst werden, so trägt der Leistungsnehmer die Kosten, auch wenn er gegen eine Entscheidung seines Kostenträgers Widerspruch eingelegt hat. Im Einzelfall steht es den Vertragspartnern frei, eine Stundungsvereinbarung auszuhandeln.

Das Landratsamt B., Dezernat Heimaufsicht, führte in einem Schreiben vom 13.11.2008 gerichtet an den Pflegedienst K. betreffend den Status der Wohngemeinschaft L.-Straße ... in ... T. wie folgt aus:

… Im Ergebnis kommen wir zu der Feststellung, dass es sich bei der von Ihnen initiierten Wohnform nicht um eine Einrichtung handelt, die den Bestimmungen des Landesheimgesetzes unterliegt. Grundlage für diese Feststellung sind die Ausführungen der Landesregierung zum Gesetzentwurf des Landesheimgesetzes, insbesondere die Einzelbegründung zu § 1 lt. Drucksache ...

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