Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitgegenstand. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. Absetzung von Versicherungsbeiträgen. Angemessenheit. private Zusatzkrankenversicherung betreffend Sehhilfen. kein abtrennbarer Streitgegenstand
Leitsatz (amtlich)
Die "Übernahme von Versicherungsprämien" bildet keinen eigenständig abgrenzbaren Streitgegenstand, der zum alleinigen Inhalt eines Rechtsstreits gemacht werden könnte, sondern steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den für den Bedarfsmonat, in dem die Versicherungsprämien fällig werden, bewilligten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Entscheidung, ob die Aufwendungen für eine Versicherungsprämie als Absetzbetrag nach § 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII einkommensmindernd berücksichtigt werden können, kann nicht isoliert getroffen werden.
Orientierungssatz
Eine private Zusatzkrankenversicherung - neben einer gesetzlichen Krankenversicherung - ist nicht angemessen (vgl BSG vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R = SozR 4-4200 § 26 Nr 3, vom 16.2.2012 - B 4 AS 89/11 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 49 und vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 38).
Normenkette
SGB XII § 82 Abs. 2 Nr. 3, § 27a Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 28 Abs. 1-2, § 31 Abs. 1 Nr. 3, § 32 Abs. 1-2, 5; SGG §§ 95-96, 77, 54 Abs. 1, 4; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; RBEG §§ 1, 5 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. März 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der jährlich entstehenden Versicherungsbeiträge einer “Nulltarif-Versicherung„ für die Anfertigung von Sehhilfen streitig.
Der 1933 geborene, alleinstehende Kläger, der bei der A. in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner versichert ist und über kein Vermögen verfügt, bezieht - ergänzend neben seiner Altersrente seitens der D. (monatlich 329,10 €, ab Juli 2014 334,60 €, ab Januar 2015 333,48 € und ab Juli 2015 340,48 €) und des französischen Rentenversicherungsträgers (monatlich 67,29 €) - durch den Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII), wobei der Beklagte den Regelbedarf, einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung und die Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Bewilligungsabschnitte vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2014 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 284,48 € und vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2015 von 373,90 Euro, ab Januar 2015 377,71 Euro (Regelbedarf 382,00 Euro, ab 1. Juli 2014 391,00 Euro, ab Januar 2015 399,00 Euro + Mehrbedarf dezentrale Warmwassererzeugung 8,79 Euro, ab Juli 2014 8,99 Euro, ab Januar 9,81 Euro + Kosten der Unterkunft und Heizung 370,30 Euro - 80,22 Euro Aufrechnung [1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014]) (Bescheid vom 4. Juli 2013 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2013 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014; Bescheide vom 16. Juni 2014, 26. Juni 2014 und 24. Februar 2015 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2015). Für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 bewilligte er weiterhin einen monatlichen Leistungsbetrag in Höhe von 377,71 Euro (Bescheid vom 15. Juni 2015).
Am 15. August 2014 beantragte der Kläger bei dem Beklagten “die Übernahme der Versicherungsprämie zur kostenfreien Anfertigung von Sehhilfen„ und legte zwei Rechnungen der H. vom 24. Juli 2014 über “Nulltarif-Versicherung„ Nr. 000043579... und 000043579... für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 mit einem Beitrag in Höhe von 10,00 Euro bzw. 50,00 Euro, insgesamt 60,00 Euro, fällig zum 1. September 2014, vor. Die Anfertigung von Sehhilfen wäre ihm - dem Kläger - ohne Schutzversicherung nicht möglich. Durch die Versicherung werde das Erlangen von Brillen nicht unwesentlich erleichtert, da die jährlichen Versicherungsprämien wesentlich günstiger seien als der Direktkauf einer Brille.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. August 2014 ab. Eine Übernahme von Versicherungsprämien zur kostenfreien Anfertigung von Sehhilfen könne nicht erfolgen. Diese Aufwendungen seien mit dem Regelsatz abgegolten. Nach § 5 Abs. 1, Abteilung 6 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) sei für die Gesundheitspflege ein Betrag von 15,55 Euro im Regelbedarf enthalten. Der dagegen eingelegte Widerspruch (Schreiben vom 2. September 2014) hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014).
Dagegen hat der Kläger am 25. September 2014 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und geltend gemacht, den “dem Kläger entstehenden Aufwand in Gestalt jährlicher Versicherungsprämien zwecks Anfertigung von Sehhilfen zum “Null-Tarif„ zu übernehmen„. Der Regelbe...