Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 307d SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen die Verfassung, dass Versicherte mit Anspruch auf Rente am 30.6.2014 mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern und Versicherte mit ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern nicht vollständig gleichgestellt sind. Die gesetzliche Regelung, wonach ab dem 1.1.2019 zusätzlich pauschal ein halber persönlicher Entgeltpunkt für Kindererziehungszeiten pro Kind Berücksichtigung findet, ist vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt (im Anschluss an BSG vom 28.6.2018 - B 5 R 12/17 R = BSGE 126, 118 = SozR 4-2600 § 307d Nr 3 und vom 10.10.2018 - B 13 R 63/18 B).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Rente.
Die 1953 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 06.06.2018 die Gewährung einer Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 26.06.2018 stellte die Beklagte den Monatsbetrag des Rechts auf Altersrente ab 01.10.2018 mit 429,24 € fest (abzüglich eines Beitragsanteils der Klägerin zur Krankenversicherung [31,33 €], eines Zusatzbeitrages zur Krankenkasse [3,86 €] und eines Beitrages zur Pflegeversicherung [10,95 €] = monatlicher Zahlbetrag: 383,10 €). Der Rentenberechnung lagen 13,4012 persönliche Entgeltpunkte (pE), ein Rentenartfaktor von 1,0 und ein aktueller Rentenwert von monatlich 32,03 € zugrunde. Die Beklagte berücksichtigte hierbei für die 1977 geborene Tochter Pflichtbeiträge für Kindererziehung vom 01.04.1977 bis 31.03.1979 (24 Monate) und für die 1980 geborenen Zwillinge Pflichtbeiträge für Kindererziehung vom 01.04.1980 bis 31.03.1984 (48 Monate). Auf die Kindererziehungszeiten entfielen so insgesamt 5,9976 pE.
Mit dem hiergegen am 06.08.2018 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin (unter anderem) geltend, dass für ihre Kinder jeweils nur zwei, statt drei Jahre an Kindererziehungszeiten berücksichtigt wurden. Dies sei mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar.
Mit Schreiben vom 27.09.2018 erläuterte die Beklagte die Rentenberechnung und verwies zur Frage der Anerkennung von 36 Kalendermonaten Beitragszeiten für Kindererziehung auf beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren (B 13 R 34/17 R und B 5 R 12/17 R). Das Widerspruchsverfahren wurde mit Blick hierauf mit Einverständnis der Klägerin zunächst ruhend gestellt.
Mit Bescheid vom 17.04.2019 berechnete die Beklagte die bisherige Regelaltersrente ab dem 01.01.2019 neu und stellte die monatliche Rente ab 01.05.2019 mit 477,29 € fest (abzüglich eines Beitragsanteils der Klägerin zur Krankenversicherung [34,84 €], eines Zusatzbeitrages zur Krankenkasse [1,67 €] und eines Beitrages zur Pflegeversicherung [14,56 €] = monatlicher Zahlbetrag: 426,22 €). Die Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.2019 bis 30.04.2019 betrug 171,50 €. Die Neuberechnung berücksichtigte jetzt 14,9012 pE, wovon 7,4976 pE auf Pflichtbeiträge für Kindererziehung entfielen.
Mit Schreiben vom 10.07.2019 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass eine generelle Berücksichtigung von 36 Kalendermonaten Kindererziehungszeit - wie bei Geburten ab 01.01.1992 - nicht möglich sei, da das BSG in den genannten Entscheidungen die geltenden Regelungen als verfassungskonform bestätigt habe. Zwischenzeitlich sei ein Bescheid über die sogenannte Mütterrente erteilt worden. Der Zuschlag pro Kind wegen Kindererziehung betrage 0,5 pE. Die Rente habe sich damit für jedes vor 1992 geborene Kind um den Rentenertrag aus einem halben Jahr Kindererziehungszeit erhöht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beklagte führte aus, dass die nach dem Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -stabilisierungsgesetz) durch § 307d SGB VI vorgeschriebenen Zuschläge in Höhe von insgesamt 1,5000 pE für drei Kinder mit dem Bescheid vom 17.04.2019 berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus sei eine bessere Bewertung der Erziehungsleistung für vor 1992 geborene Kinder gesetzlich nicht vorgesehen. Eine generelle Berücksichtigung von 36 Monaten Kindererziehungszeit - wie bei Geburten ab 01.01.1992 - habe deshalb weiterhin nicht zu erfolgen.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.12.2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und geltend gemacht, dass es für die Ungleichbehandlung von Silvesterkindern 1991 und Neujahrskindern 1992 keine sachliche Rechtfertigung gebe. Es seien bis Ende 2018 nur 2,0 Entgeltpunkte pro Kind angerechnet worden, seit Januar 2019 nur 2,5 Entgeltpunkte. Die ab Neujahr 1992 geborenen Kinder seien für die Aufrechterhaltung des Rentensystems nicht weniger wichtig als die bis Silvester 1991 geborenen. Hätte sie ihre drei Töchter nicht geboren, gäbe es heute keine sechs Enkelkinder, hätten die älteren Frauen keine Kinder gebor...