Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit einer Klage wegen Rechtsmissbrauchs. zweckwidrige Verfolgung von Rechten
Orientierungssatz
Eine Klage kann in extremen Ausnahmefällen wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sein, insbesondere wenn der Kläger in einer Gesamtbetrachtung (hier in einer Vielzahl von Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer) die ihm eingeräumten prozessualen Möglichkeiten nicht zur Wahrung seiner Belange, sondern gezielt zu verfahrensfremden und verfahrenswidrigen Zwecken verfolgt, etwa um den Antragsgegner zu schädigen oder das Gericht zu belästigen (vgl BVerfG vom 21.8.2001 - 2 BvR 282/00 = StV 2001, 697).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.800 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Entschädigungsanspruch wegen unangemessen langer Verfahrensdauer nach dem Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) geltend.
Der Kläger hatte in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Verfahren sowohl beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe als auch beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben, so allein in den Jahren 2009 bis 2012 insgesamt 1185 Verfahren beim LSG und 605 Verfahren beim SG Karlsruhe.
Im Ausgangsverfahren vor dem SG Karlsruhe (S 10 AS 4953/10) hatte der Kläger am 29. November 2010 Klage erhoben und sich gegen einen Sperrzeitbescheid der Bundesagentur für Arbeit gewandt und in dem Zusammenhang verschiedenste Begehren geltend gemacht. Das SG hatte mit Gerichtsbescheid vom 24. August 2011 die Klage abgewiesen. Hiergegen hatte der Kläger am 30. August 2011 Berufung zum LSG (L 3 AL 3979/11) erhoben. Da der Kläger neben den überwiegend auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) gerichteten Begehren unter anderem aber auch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) geltend gemacht hatte, hatte der 3. Senat des LSG mit Beschluss vom 16. März 2012 den Streitgegenstand auf Verbescheidung des Antrages auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II abgetrennt und war dieser beim 7. Senat des LSG unter dem Az. L 7 AS 1077/12 (nunmehr L 7 AS 3732/14) weitergeführt worden. Die die übrigen Anträge betreffende Berufung hat der 3. Senat mit Urteil vom 28. März 2012 zurückgewiesen. Das beim 7. Senat noch anhängige Verfahren ist für den 29. Januar 2015 zur mündlichen Verhandlung terminiert.
Am 7. September 2014 hat der Kläger Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem LSG eingelegt. Er macht geltend, ihm stünde für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 jeweils eine Entschädigungszahlung i.H.v. 1.200 € zu. Er habe 2010 Klage erhoben auf Gewährung von Leistungen, er habe auch form- und fristgerecht die Verzögerungsrüge erhoben. Das Verfahren sei bis heute nicht abgeschlossen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 GVG i.H.v. 4.800 € zu zahlen,
hilfsweise eine Entschädigung aus Amtshaftung nach § 839 BGB und Verweisung an die Amtshaftungskammer.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die die Vorverfahren betreffenden Akten und die Senatsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit den §§ 198 ff. Gerichtskostengesetz - GVG -), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2015 auch in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger mit Postzustellungsurkunde vom 29. Januar 2015 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.
II. Der Kläger ist wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 30. April 2014 (L 2 SF 3694/12 EK) festgestellt hat prozessfähig, weshalb ihm auch kein besonderer Vertreter gemäß § 72 SGG bestellt werden musste.
III. Die Klage ist auch unzulässig, da sie vom Kläger offensichtlich rechtsmissbräuchlich erhoben worden ist.
So setzt jede Rechtsverfolgung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Ein Rechtsbehelf kann in extremen Ausnahmefällen - wie hier - wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sein. Hierfür ist es prägend, dass der Rechtsbehelfsführer mit seinem Rechtsbehelf verfahrensfremde Gründe verfolgt (vgl BSG 10. Dezember 2010, B 4 AS 97/10 B, juris). Rechtsmissbräuchlich ist das Ausnutzen einer von der Rechtsordnung an sich gegebenen Rechtsschutzmöglichkeit oder einer prozessualen Befugnis zu einem der einschlägigen Nor...