Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme bzw Kostenerstattung einer operativen Behandlung im Ausland (hier: Halswirbelsäulen-Operation in Straßburg). Vereinbarung mit Gemeinschaftsrecht. Dienstleistungsfreiheit
Orientierungssatz
1. Für die Anwendung des § 18 Abs 1 SGB 5 reicht es nicht aus, dass die konkrete, von der Versicherten gewünschte Therapie nur im Ausland durchgeführt werden kann. Die Krankenkasse darf die Kosten dieser Therapie vielmehr nur übernehmen, wenn für die betreffende Krankheit im Inland überhaupt keine, also auch keine andere Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse genügt (vgl BSG vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R = BSGE 84, 90 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4).
2. Die Auslandsbehandlung stellt, ebenso wie eine Behandlung durch nicht zugelassene Ärzte und Krankenhäuser im Inland - einen bloßen Notbehelf für den Fall dar, dass der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung mit den Mitteln des Sachleistungssystems nicht erfüllt werden kann. Die in § 18 Abs 1 SGB 5 vorausgesetzte Notwendigkeit, mit Hilfe der Auslandsbehandlung eine Lücke in der medizinischen Versorgung in Deutschland zu schließen, besteht nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, aber nur, wenn eine im Geltungsbereich des SGB 5 nicht behandelbare Krankheit im Ausland mit der erforderlichen Erfolgsaussicht behandelt werden kann, und nicht schon dann, wenn das im Ausland angebotene Leistungsspektrum lediglich andere medizinische Maßnahmen umfasst, ohne im Ergebnis die Behandlungsmöglichkeiten für die beim Versicherten bestehende Krankheit entscheidend zu verbessern (Anschluss an BSG vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R aaO).
3. Die Beschränkungen des Deutschen Rechts verletzen, jedenfalls im Bereich der stationären Krankenhausversorgung, Vorschriften des EG-Vertrages über den Schutz des freien Dienstleistungsverkehrs nicht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Kosten einer operativen Behandlung bei Prof. Dr. K in S, Frankreich, zu übernehmen hat.
Die am ... 1954 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 21.09.2001 beantragte sie die Übernahme der Kosten einer Untersuchung und operativen Behandlung durch Prof. Dr. K in S. Beigefügt war ein Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. B, demzufolge die Klägerin unter einer Myelonkompression der HWS leide und aufgrund des schwierigen Falles der Erkrankung die Behandlung bei einem sehr erfahrenen Operateur wie Prof. Dr. K dringend erforderlich sei. Ein ähnlich erfahrener Operateur sei ihm in der Bundesrepublik Deutschland nicht bekannt.
Gestützt auf eine sozialmedizinische Beratung durch Dr. C vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), wonach ein Notfall nicht vorliege und alternativ auch eine Operation z. B. bei Prof. H in L oder in der W Klinik in Bad W innerhalb Deutschlands möglich sei, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2001 die Übernahme der Kosten einer Behandlung bei Prof. Dr. K ab, da die Indikation für eine Auslandsbehandlung nicht gegeben sei.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs machte die Klägerin geltend, die Alternative, eine Operation bei Prof. H in L oder in der W Klinik Bad W durchzuführen, helfe ihr nicht weiter, da diese Kliniken keine Prothese am Halswirbel einsetzten, sondern nur versteiften. Die Klinik in Strassburg bei Prof. K sei die einzige, die diese Operation durchführe. Außerdem habe die Klinik ein Abkommen mit allen Krankenkassen, wobei sie sich auf das europäische Recht berufe. Die Beklagte veranlasste hierauf ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage durch den MDK. Dr. Sch wies darauf hin, dass endoprothetische Maßnahmen im Bereich der verschiedenen Wirbelsäulenabschnitte vorerst keine vertraglich geregelte Therapieleistung darstellten. Es handele sich hierbei um operative Behandlungsverfahren, die ihre Überlegenheit gegenüber anerkannten Therapiemaßnahmen noch nicht bewiesen hätten. Im Falle der Klägerin könne trotz fehlender neurologischer Befunde und einer bildgebenden Diagnostik zu ihrem Krankheitsgeschehen mit Sicherheit ausgesagt werden, dass eine operative Behandlung im Inland gute Erfolgsaussichten beinhalte, die Krankheitsursache aufzuheben. Nachdem Dr. B die Qualifikation des MDK- Gutachters im Hinblick auf die Beurteilung der Indikationsstellung zum Einsetzen einer endoprothetischen Maßnahme bezweifelte, äußerte sich Dr. Sch in einer weiteren Stellungnahme nach Aktenlage dahingehend, spinale Stenosen, wie sie bei der Klägerin vorlägen, würden regelmäßig und mit Erfolg von Wirbelsäulen-Chirurgen im Inland behandelt. Dementsprechend unterrichtete die Beklagte die Klägerin und hielt erneut...