Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietkautionsdarlehen. Tilgung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Verfassungsmäßigkeit. Atypischer Fall. Hinreichende Bestimmtheit. Existenzminimum
Orientierungssatz
1. Ein atypischer Fall, in dem Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für eine Mietkaution nach § 20 Abs 6 SGB 2 nicht in Form eines Darlehen erbracht werden müssen, liegt nicht schon dann vor, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nach Lebenslage oder sonstigen Umständen den Leistungsbezug mangels Erwerbschancen kurzfristig nicht beenden kann. Ein solcher Fall folgt auch nicht aus der auf § 42a Abs 2 SGB 2 basierenden Kürzung des Regelbedarfs durch Aufrechnung über einen längeren Zeitraum.
2. Die Tilgung eines Mietkautionsdarlehen gem § 42a Abs 2 SGB 2 ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs verletzt nicht Verfassungsrecht.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 6, § 42a Abs. 2; SGB X § 33; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. November 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Beklagte berechtigt ist, das dem Kläger gewährte Darlehen für eine Mietkaution durch monatliche Aufrechnung i.H.v. 10 % des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen.
Der 1954 geborene Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger. Bis zum 30.11.2011 bewohnte er eine Ein-Zimmer-Wohnung, hierfür gewährte ihm die Beklagte die monatlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung in voller Höhe von 242,00 €. Zum 01.12.2011 zog der Kläger - nach Kündigung des früheren Vermieters wegen Eigenbedarfs - in eine neue Wohnung um, für die eine Kaltmiete von 272,31 € sowie Nebenkosten von 85,00 €, insgesamt 337,31 € monatlich zu entrichten waren.
Mit Änderungsbescheid vom 28.11.2011 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 01.06.2011 gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zeit vom 01.12.2011 bis 31.12.2011 auf und setzte für diese Zeit eine Leistung i.H.v. 701,90 € fest. Hierbei wurden eine Kaltmiete von 252,90 €, ein Nebenkostenanteil von 40,00 € sowie ein Kostenanteil von 45,00 € (insgesamt 337,90 €) zugrunde gelegt.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 01.12.2011 bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 01.12.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 i.H.v. monatlich 711,90 €. Zugrunde gelegt waren Kosten der Unterkunft i.H.v. insgesamt 337,90 €.
Mit Bescheid vom 28.11.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine Mietkaution als Darlehen nach § 22 Abs. 6 SGB II i.H.v. 758,70 €. In Ziffer 2 der Darlehensbedingungen wurde folgende Regelung getroffen: “Das Darlehen wird nach § 42a SGB II mit monatlich 10 % der Regelbedarfe verrechnet„.
Hiergegen legte der Kläger am 04.01.2012 Widerspruch ein mit dem Antrag, ihm ein Mietkautionsdarlehen i. H. v. 820,00 € zu gewähren und eine Verrechnung mit dem Regelbedarf nicht vorzunehmen.
Am 02.01.2012 legte der Kläger per Fax Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.12.2011 - betreffend Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Januar bis Juni 2012 - ein mit der Begründung, die Kosten der Unterkunft seien in voller Höhe in den Bedarf einzustellen.
Gegen den Bescheid vom 28.11.2011 legte der Kläger am 02.01.2012 Widerspruch ein mit dem Antrag, die Kosten der Unterkunft in voller Höhe zu übernehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2012, auf den Bezug genommen wird, wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Bezüglich der Rückzahlung der Mietkaution führte er aus, der Rückzahlungsanspruch aus Darlehen werde ab dem 01.01.2012 in Höhe von monatlich 37,40 € gegen den Anspruch auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufgerechnet. Dies erfolge solange, wie der Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe.
Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2012 drei Klagen zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Mit Beschluss vom 16.10.2012 hat das SG die Verfahren S 7 AS 937/12, L 7 AS 938/12 und S 7 AS 939/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit Urteil vom 06.11.2012 hat das SG die Bescheide vom 01.12.2011 und 28.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2012 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 01.12.2011 bis zum 30.06.2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 357,31 € pro Monat sowie ein Mietkautionsdarlehen i.H.v. insgesamt 820,00 € zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es diesbezü...