Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen Bl. Blindheit. gleichzuachtende Störung des Sehvermögens. Leitlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft. augenärztliches Gutachten. subjektive Angaben des Untersuchten. Mitarbeit eines weiteren Arztes

 

Leitsatz (amtlich)

Die Leitlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft sind bei der Prüfung der Blindheit oder einer vergleichbaren Störung des Sehvermögens zu beachten. Wenn eine angebliche drastische Verschlechterung des Sehvermögens nicht auf einer objektivierbaren Änderung der Augenerkrankung beruht, sondern der Sachverständige sich allein auf die Angaben des Klägers stützt, ohne dies nachvollziehbar festzustellen, so hat dies keinen ausreichenden Beweiswert.

Die Grenzen einer erlaubten Mitarbeit eines weiteren Arztes an einem augenärztlichen Gutachten sind nicht überschritten, wenn der beauftragte Sachverständige die Arbeit selbst nachvollzieht und sich zu eigen macht, insbesondere die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt.

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 4; VersMedV § 2 Anl. Teil A Nr. 6 Buchst. a, § 2 Anl. Teil A Nr. 6 Buchst. b, § 2 Anl. Teil A Nr. 6 Buchst. c; SchwbAwV § 3 Abs. 1 Nr. 3; BVG § 30 Abs. 16, 17 Fassung: 2007-12-13; SGB XII § 72 Abs. 5; ZPO § 407a Abs. 2 S. 2; SGG § 84 Abs. 1 S. 1, § 109 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 1 S. 1; LBlindG Sachsen § 1 Abs. 2

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens Bl (Blindheit) vorliegen.

Die am … 1963 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben gelernte Schneiderin, arbeitete zuletzt aber als Endkontrolleurin im Verlagswesen und stellte hier Formulare und schriftliche Unterlagen für den jeweiligen Kunden zusammen. Aufgrund eines 2010 erlittenen Bandscheibenvorfalles ist sie derzeit berentet. Sie stellte am 25.05.2010 einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Im Antragsformular gab sie u. a. als Gesundheitsstörung eine Sehschärfe von 10 % auf beiden Augen an. Auf Anfrage des Beklagten teilte der Hausarzt Dr. W. mit Schreiben vom 27.06.2010 mit, es liege bei der Klägerin seit der Kindheit eine schwere Myopie vor, die zu einer zunehmenden Sehbehinderung durch myopische Makuladegeneration führe. Beigefügt war der Befundbericht des Universitätsklinikums M. vom 25.02.2010, in dem über eine ambulante Vorstellung der Klägerin am 08.01.2010 mit dem Wunsch einer Verbesserung des Sehvermögens berichtet wurde. Gemessen wurde eine Sehschärfe rechts von 0,5 und links von 0,1. Die vorderen Augenabschnitte waren unauffällig. Am hinteren Pol fanden sich links mehr als rechts ausgeprägte Dehnungsherde sowie eine myopische Makuladegeneration. Außerdem wurde in dem Bericht ausgeführt, dass harte Kontaktlinsen gut vertragen würden und von einer Operation abgeraten worden sei, da es der Klägerin primär um eine Sehverbesserung gegangen sei, die hierdurch jedoch nicht hätte erreicht werden können.

Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Sehminderung Teil-GdB 50, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Migräne Teil-GdB 10, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 60) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17.08.2010 den Grad der Behinderung (GdB) mit 60 fest, lehnte aber u. a. die Feststellung des Merkzeichens Bl ab.

Am 08.09.2010 beantragte die Klägerin die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung der Merkzeichen G, B sowie RF. Auch hier gab die Klägerin im Antragsformular an, dass die “Sehsicht„ nur noch 10 % betrage. Als weitere Gesundheitsstörung benannte die Klägerin psychische Probleme.

Der Beklagte legte diesen Antrag als Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.08.2010 aus und holte bei dem Neurologen und Psychiater Dr. Z. den Befundschein vom 08.10.2010 ein. Dieser hielt aufgrund der von ihm diagnostizierten C6-Wurzelreizung rechts, des Bandscheibenvorfalls C5/6 rechts medio-lateral, zunehmender Minderung der Sehfähigkeit, depressiver Störung und somatoformer Störung aus nervenärztlicher Sicht einen GdB von 80 mit dem Merkzeichen B für angemessen.

Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme (Sehminderung Teil-GdB 50, seelische Störung Teil-GdB 40, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Migräne Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 80), stellte der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 16.11.2010 den GdB mit 80 seit 25.05.2010 fest, lehnte hingegen die Anerkennung der Merkzeichen G, B und RF weiterhin ab.

Die Klägerin war mit dem Teil-Abhilfebescheid nicht einverstanden, bat um Erlass eines Widerspruchsbescheides und teilte am 17.12.2010 mit, sie benötige die Merkzeichen B, RF und Bl (Bl. 54 RS Behördenakten). Im Hinblick auf die von Dr. Z. angegebene ...

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