Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag. Pflegeperson. Vorversicherungszeit. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzung für ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag, innerhalb von 24 Monaten vor dem berechtigenden Ereignis zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden oder eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen zu haben (§ 28a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3) gilt auch für Pflegepersonen iS des § 28a Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebieten keine Differenzierung.
2. Dies verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 4. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für den Kläger ein Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag begründet ist.
Der 1953 geborene Kläger war bis 1995 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 1996 war er selbständig erwerbstätig. Ab dem Jahr 2001 pflegte er seine am 3. September 1955 geborene und am 31. Januar 2009 verstorbene Ehegattin. Diese bezog Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, zunächst, seit dem 1. November 2001, nach der Pflegestufe I, später nach der Pflegstufe III. Daneben war der Kläger in einem zeitlichen Umfang von (noch) ca. 5 - 6 Stunden wöchentlich selbständig erwerbstätig.
Am 10. November 2006 beantragte der Kläger telefonisch bei der Beklagten die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung. In dem förmlichen Antragsformular, welches am 11. Januar 2007 bei der Beklagten einging, gab er an, als Pflegeperson in einem zeitlichen Umfang von wenigstens 14 Stunden wöchentlich tätig zu sein.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Sie führte zur Begründung an, der Kläger habe innerhalb der letzten 24 Monate vor der Aufnahme der Pflegtätigkeit keine zwölf versicherungspflichtigen Monate zurückgelegt.
Hiergegen erhob der Kläger am 27. Februar 2007 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, ihm gereiche das Erfordernis von Beitragszeiten zum Nachteil, da sein früheres Arbeitsverhältnis bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzgebung beendet gewesen sei. Hätte die gesetzliche Regelung bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme der Pflegetätigkeit bestanden, wäre für ihn eine freiwillige Weiterversicherung möglich gewesen. Der Gesetzgeber habe es versäumt, für Pflegende eine Abgabe bzw. Anwartschaft zur Pflegeversicherung zu installieren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie führte hierzu an, der Kläger sei ab dem Jahr 1996 bis zur Aufnahme der Pflegetätigkeit am 1. November 2001 weder als Arbeitnehmer, noch als Pflegeperson tätig gewesen. Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung habe in diesem Zeitraum nicht bestanden, weswegen die freiwillige Weiterversicherung nicht möglich sei. Überdies sei der Antrag nicht rechtzeitig, bis zum 31. Mai 2006, gestellt worden. Die Beklagte erteilte die Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage innerhalb von drei Monaten erhoben werden könne.
Am 20. Juni 2006 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, die Beklagte habe die gesetzliche Regelung des § 28a Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) unrichtig ausgelegt. § 28a Abs. 1 Satz 2 SGB III beziehe sich nur auf Tätigkeiten und Beschäftigungen der Nrn. 2 und 3, nicht jedoch auf Nr. 1 und die dort aufgeführten Pflegepersonen. Auch in § 434j Abs. 2 Satz 2 SGB III seien nur Tätigkeiten und Beschäftigungen benannt. Hieraus sei zu folgern, dass Pflegepersonen ohne eine Vorversicherungszeit und ohne Fristen die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung eingeräumt werden sollte. Dies ergebe sich auch daraus, dass Pflegpersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert seien. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung würde Versicherungsschutz jedenfalls im Wege der Familienversicherung gewährt. Es könne nicht sein, dass im Bereich der Arbeitslosenversicherung ein solcher Schutz nicht bestehe. Es liege eine Gesetzeslücke vor, die zu Gunsten des Klägers zu schließen sei. Personen, die seit längerer Zeit ihre Angehörigen pflegen, müssten mit solchen, die dies erst seit Kurzem tun, gleichgestellt werden; ansonsten liege ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) und den dortigen Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat eingeräumt, dass die Klage zulässig sei, da versehentlich eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung angefügt worden sei. Inhaltlich hat sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergä...