Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Wert des Beschwerdegegenstands iSv § 144 SGG bei Rechtsstreit über Gewährung von Krankengeld. Versäumung der Meldefrist nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5. keine Nachsichtgewährung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verlust der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf dem Postweg. Risiko trägt Versicherter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Rechtsstreit auf Gewährung von Krankengeld bemisst sich der Wert des Beschwerdegegenstands iSv § 144 SGG nach dem Bruttobetrag des Krankengeldes.

2. Bei Versäumung der Meldefrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V kommt weder eine sog Nachsichtgewährung noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.

3. Das Risiko, dass eine mit der Post versandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht bei der Krankenkasse ankommt, trägt der Versicherte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.12.2019; Aktenzeichen B 3 KR 5/19 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.09.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) für den Zeitraum 28.05. bis 12.06.2016.

Der 1964 geborene Kläger war als Beschäftigter bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ab 24.03.2016 war er arbeitsunfähig krank. Nach arbeitgeberseitiger Kündigung schied der Kläger mit dem 30.04.2016 arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis aus. Ab 01.05.2016 gewährte die Beklagte ihm Krankengeld iHv 49,51 € netto/56,38 € brutto kalendertäglich.

Arbeitsunfähigkeit (AU) wurde bescheinigt durch die Gemeinschaftspraxis Dres. Sch./G. mit den Diagnosen F48.0G, F32.1G, F41.1G. Ausgestellt wurden ua folgende AU-Bescheinigungen:

ausgestellt am:

gültig bis:

02.05.2016

16.05.2016

17.05.2016

27.05.2016

30.05.2016

10.06.2016

13.06.2016

26.06.2016

Mit Bescheid vom 13.07.2016 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger Krg nur bis 27.05.2016 erhalte, da die Folgebescheinigung ab 13.06.2016 nicht am Tag nach der letzten AU-Feststellung erfolgt sei. Ab dem 28.05.2016 sei der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert.

Der Kläger meldete sich daraufhin am 15.07.2016 bei der Beklagten und erfuhr, dass die Bescheinigung vom 30.05.2016 nicht eingegangen sei. Er faxte diese noch am gleichen Tag an die Beklagte. Mit Bescheid vom 27.07.2016 stellte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs auf Krg für den Zeitraum 28.05. bis 12.06.2016 fest, da die AU vom 30.05.2016 nicht innerhalb einer Woche gemeldet worden sei. Ab dem 13.06.2016 erhalte der Kläger wieder Krg. Dieses wurde in der Folge durchgehend weitergezahlt bis 17.10.2016. Anschließend bezog der Kläger Arbeitslosengeld.

Mit Schreiben vom 01.08.2016 erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass er alle Krankmeldungen fristgerecht eingereicht habe und dies über Postwertzeichen belegen könne. Am 30.05.2016 habe er die AU-Bescheinigung per Einschreiben an die Agentur für Arbeit und den Durchschlag per einfachem Brief an die Beklagte geschickt. Hierzu legte er eine Quittung der Post vom 30.05.2016 über 3,55 € vor (Einlieferungsbeleg über ein Einwurfeinschreiben und ein Postwertzeichen). Wenn die Bescheinigung bei der Beklagten verloren gehe, könne ihm dies nicht zugerechnet werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Meldung der AU sei Pflicht des Versicherten. Die Gefahr des Nichteingangs oder des nicht rechtzeitigen Eingangs der Meldung trage der Versicherte. Dies habe zur Folge, dass die Ruhensvorschrift auch greife, wenn die rechtzeitig zur Post gegebene Meldung dort verloren gehe und der Versicherte unverzüglich nach Kenntnis vom Verlust die Meldung nachhole.

Hiergegen richtet sich die am 06.07.2017 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Kläger könne durch die Quittung vom 30.05.2016 nachweisen, dass er den Brief mit der AU-Bescheinigung für die Beklagte direkt bei der Post in L. abgegeben habe. Er sei ein sehr pflichtbewusster Mensch und als langjähriger Bezirksschornsteinfegermeister damit betraut gewesen, rechtzeitig organisatorische Dinge zu regeln. Falls die Beklagte die Bescheinigung in ihrem Hause möglicherweise im Rahmen des Einscannens verloren habe, könne dies dem Kläger nicht zugerechnet werden. Er habe auch mehrfach bei der Beklagten wegen der sehr zögerlichen Auszahlung des Krg (erste Zahlung im Juli) nachgefragt, sei jedoch zu keinem Zeitpunkt auf die fehlende AU-Bescheinigung hingewiesen worden; auch sei er nicht über die Möglichkeit des Ruhens des Anspruchs belehrt worden. Nachdem er ein Schreiben der Beklagten vom 21.07.2016 erhalten habe, dass sich sein Versicherungsverhältnis zum 28.05.2016 geändert habe, habe er die Geschäftsstelle in N. aufgesucht und dort mit einer Sachbearbeiterin gesprochen. Er habe erklärt, dass er durchgehend krank gewesen sei und die AU-Bescheinigungen immer sofort mit der Post übersandt habe. Die Sachbearbeiterin habe ih...

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