Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Mittagessen während eines teilstationären Klinikaufenthalts. Berechnung des Einkommens
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Rahmen einer teilstationären Unterbringung auf Kosten des Rentenversicherungsträgers erbrachte Verpflegung (Mittagessen) stellt Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 dar. Sie verringert die Hilfebedürftigkeit und kann als marktwerte Sachleistung auf die Regelleistung angerechnet werden. Dies folgt ua aus § 2b AlgIIV, der absichert, dass kein Einkommen unberücksichtigt bleibt, das nicht ausdrücklich von der Einkommensanrechnung ausgenommen wurde.
2. Leistungen eines anderen Sozialleistungsträgers sind keine Zuwendungen Dritter iS von § 1 Abs 1 Nr 2 AlgIIV.
3. Bei der Wertbemessung ist vom Leistungssatz des § 20 Abs 2 SGB 2 auszugehen, von welchem 35% (= 120,75 Euro bei einer Regelleistung von 345 Euro) für die Vollverpflegung angesetzt sind. Es ist nicht zu beanstanden, wenn davon 39,06% für das Mittagessen errechnet werden.
Orientierungssatz
Eine Kürzung der Regelleistung (§ 20 SGB 2) wegen häuslicher Ersparnis durch das zur Verfügung gestellte Mittagessen während des Aufenthalts in der Tagesklinik kommt dagegen nicht in Betracht.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Januar 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die dem Kläger nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bewilligten Regelleistungen um den Wert der während eines teilstationären Aufenthalts in einer Tagesklinik in der Zeit vom 5. Juli 3. August 2006 erhaltenen Verpflegung in Form des Mittagessens zu kürzen sind.
Dem ... 1952 geborenen Kläger, der im Leistungsbezug der Beklagten steht, wurden mit Bescheid vom 22. Juni 2006 für die Zeit Juli bis Dezember 2006 Leistungen in Höhe von insgesamt 511,96 € monatlich bewilligt, bestehend aus der Regelleistung i.H.v. 345,- € und Kosten der Unterkunft in Höhe von 166,96 €.
Mit Änderungsbescheid vom 5. Juli 2006 bewilligte die Beklagte Leistungen in Höhe von 391,21 € für den Monat Juli 2006 und 511,96 € monatlich für die Monate August bis Dezember 2006 und führte dazu aus, die häusliche Ersparnis während des Krankenhausaufenthalts sei als sonstiges Einkommen angerechnet worden. Dagegen erhob der Kläger am 12. Juli 2006 Widerspruch mit der Begründung, die vorgenommene Kürzung der Regelleistungen entbehre jeder Grundlage. Er sei erst am 5. Juli 2006 teilstationär in das O.-Klinikum aufgenommen worden und habe dort lediglich Mittagessen und keine Vollverpflegung erhalten; Verpflegung stelle keine geldwerte Leistung dar. Mit Änderungsbescheid vom 13. Juli 2006 hob die Beklagte daraufhin die dem Kläger für den Monat Juli 2006 gewährte Leistung auf 469,51 € an und senkte dafür die Leistung für den Monat August auf 496,24 € ab. Mit Schreiben vom 7. August 2006 teilte der Kläger mit, dass die tagesklinische Behandlung am 3. August 2006 geendet habe, das letzte Mittagessen habe er dort am 2. August 2006 erhalten. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 9. August 2006 bewilligte die Beklagte - unter Aufhebung der insoweit ergangenen früheren Entscheidungen - für den Monat Juli 2006 469,51 €, für den August 2006 508,82 € und für die Monate September bis Dezember 2006 jeweils 511,96 €, zusammen also 1490,29 €. Dazu trug der Kläger mit weiterem Schreiben vom l. September 2006 vor, sein Widerspruch richte sich nicht gegen die Höhe der Anrechnung, sondern gegen die Anrechnung als solche. Bei dem erhaltenen Mittagessen handele es sich nicht um geldwerte Leistungen, die demzufolge auch nicht in Geldwert angerechnet werden könnten. Des Weiteren fehle der Nachweis, dass die Mahlzeiten in Anspruch genommen worden seien. Für Juli und August seien 38,14 € einbehalten worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Von der dem Kläger gewährten Regelleistung in Höhe von 345,- € monatlich sei ein Betrag in Höhe von 120,75 € für die Kosten der Verpflegung enthalten. Auf das Mittagessen entfielen hiervon 39,07 %. Nachdem der Kläger im Zeitraum vom 5. Juli bis zum 2. August 2006 täglich ein für ihn kostenloses Mittagessen erhalten habe, welches von einem anderen Sozialleistungsträger an den Träger der Tagesklinik erstattet worden sei, sei tatsächlich ein geldwerter Vorteil in Höhe von insgesamt 38,14 € vorhanden.
Dagegen hat der Kläger am 11. September 2006 beim Sozialgericht Ulm (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und auf den Hinweis des Gerichts, dass eine Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei, mitgeteilt, dass der Eilantrag als Klage behandelt werden solle. In der Sache hat er vorgetragen, das SGB II lasse eine Kürzung bei stationärer Aufnahme in einem Krankenhaus nicht zu. Auch Mitpatienten, die teilweise vollstationär untergebracht worden seien, sei die Leistung nicht gekürzt worden. Die Verpflegung ...