Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Zeiten der Absolvierung eines Berufsgrundbildungsjahres vor dem 17. Lebensjahr als Anrechnungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ausbildungszeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Eine schulische Ausbildung vor der Vollendung des 17. Lebensjahres stellt generell keine Anrechnungszeittatsache dar, die der Rentenversicherungsträger vorzumerken hätte.
2. Die Berücksichtigung von beitragsfreien Zeiten der schulischen Ausbildung erst für die Zeit nach Vollendung des 17. Lebensjahrs begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Anschluss an BSG vom 13.11.2008 - B 13 R 77/07 R = juris Rdnr 23.
3. Die Regelung des § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6 durch das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1996, 1461), wonach nur solche Zeiten einer Ausbildung rentenrechtlich erhebliche Ausbildungszeiten darstellen, die nach dem vollendeten 17. Lebensjahr stattgefunden haben, verstößt weder gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) noch gegen Art 14 Abs 1 GG.
4. § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6 verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. August 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vormerkung eines Berufsgrundschuljahres als Anrechnungszeit.
Der in 1965 in D. geborene Kläger besuchte in der Zeit vom 1. September 1981 bis 31. Juli 1982 ein Berufsgrundschuljahr im Berufsfeld „Bautechnik“ an der Staatlichen Berufsschule R.-D. Danach absolvierte er ab August 1982 bei der Bauunternehmung W. D. GmbH in D. eine betriebliche Berufsausbildung zum Betonbauer. Die Gesellenprüfung im Betonbauer-Handwerk legte er am 24. Mai 1984 erfolgreich ab. Im früheren Ausbildungsbetrieb war der Kläger anschließend vom 1. Mai 1984 bis 2. Januar 1985 - sowie nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit (3. Januar bis 8. April 1985) - ab 9. April 1985 während des gesamten Jahres 1985 versicherungspflichtig beschäftigt.
Im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens vor dem Amtsgericht - Familiengericht - (AG) Ansbach wurde eine Klärung des Versicherungskontos des Klägers durch die Beklagte erforderlich. Der Kläger legte hierzu verschiedene Unterlagen vor und gab bei der Beklagten in einer Erklärung vom 2. Juni 2016 an, vom 2. August 1982 bis 30. April 1984 bei der Fa. D. eine Berufsausbildung zum Betonbauer absolviert und zuvor ab 1. September 1981 ein mit „BAföG“ gefördertes Berufsgrundschuljahr Bautechnik - wie damals üblich - durchlaufen zu haben. Durch Bescheid vom 16. Juni 2016 stellte die Beklagte die im angefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Jahre zurücklagen (Zeiten bis 31. Dezember 2009), verbindlich fest, wobei sie die Zeit vom 2. August 1982 bis 30. April 1984 als Pflichtbeitragszeit einer beruflichen Ausbildung sowie u.a. die Zeiten vom 1. Mai bis 2. Januar 1985 und vom 9. April 1985 bis 31. Dezember 1985 als Pflichtbeitragszeiten (außerdem die Zeit vom 3. Januar bis 8. April 1985 als Anrechnungszeit) vormerkte; die Vormerkung der Zeit vom 1. September 1981 bis 31. Juli 1982 als Anrechnungszeit lehnte sie jedoch ab, weil die Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei.
Mit seinem am 27. Juni 2016 eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger dagegen, dass die Beklagte im Bescheid vom 16. Juni 2016 die Vormerkung der Zeit vom 1. September 1981 bis 31. Juli 1982 abgelehnt hatte, wobei er geltend machte, das Berufsgrundschuljahr sei Bestandteil seiner Ausbildung zum Betonbauer und ohne dieses eine Zulassung zur Ausbildung im Beruf „Betonbauer“ nicht möglich gewesen. Dazu legte er u.a. eine Bestätigung der Handwerkskammer für Mittelfranken vom 30. Juni 2016 vor, wonach dort für ihn im Ausbildungsberuf des Betonbauers eine Ausbildungszeit vom 1. August 1982 bis 30. April 1984 registriert und das Berufsgrundschuljahr auf die Ausbildungszeit angerechnet worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück, weil gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur Zeiten einer schulischen Ausbildung nach dem vollendeten 17. Lebensjahr als Anrechnungszeiten „anerkennungsfähig“ seien, während die schulische Ausbildung des Klägers an der Staatlichen Berufsschule R.-D. bereits vor Vollendung des 17. Lebensjahres beendet gewesen sei. Die Zeit könne auch nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden, weil für die (betriebliche) Berufsausbildung des Klägers erst ab August 1982 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden seien.
Deswegen hat der Kläger am 29. Dezember 2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat die „Anerkennung...