Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB 6. Syndikusanwalt
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen für einen rückwirkenden Befreiungsantrag nach § 231 Abs 4b SGB VI.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist noch die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 6.11.2012 bis 22.3.2016 für die Tätigkeit der Klägerin als Juristin bei der B. Baden-Württemberg e.V. (im Folgenden: Verband).
Die 1982 geborene Klägerin war vom 1.7.2012 bis 31.10.2016 bei dem Verband, der als Wirtschafts- und Arbeitgeberverband Interessenvertreter der B. in Baden-Württemberg ist, als Juristin beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 6.3.2012, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarung vom 18.3.2016). Seit dem 6.11.2012 ist sie Mitglied in der Rechtsanwaltskammer Stuttgart sowie Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Seither ist die Klägerin bei einem anderen Arbeitgeber als Syndikusrechtsanwältin tätig.
I.
Am 27.11.2012 (Bl. 11 VA) beantragte die Klägerin über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) für ihre am 1.7.2012 begonnene Beschäftigung als Rechtsanwältin bei dem Verband. Sie legte die Bestätigung des Verbandes vom 14.11.2012 zu ihrer Tätigkeit vor (Bl. 13 VA). Danach sei es Aufgabe der Klägerin, die Mitgliedsbetriebe in Rechtsangelegenheiten zu betreuen, was die Beratung als auch die Vertretung umfasse. Sie werde überwiegend rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig. Der Aufgabenbereich umfasse insbesondere die Rechtsberatung der Geschäftsführung bei der Umsetzung rechtlicher Vorgaben sowie die telefonische und schriftliche Beratung der Mitglieder des Verbandes. Sie leistet den Mitgliedsbetrieben Hilfestellung bei Fragen auf dem Gebiet des Bau- und Vergaberechts als auch bei Problemen im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts. In arbeits-und sozialrechtlichen Fragestellungen erfolge außerdem eine Vertretung der Mitgliedsbetriebe bei Rechtsstreitigkeiten vor Gericht. Die umschriebene Tätigkeit könne gemäß § 7 Abs. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) nur von Volljuristen ausgeübt werden. Der Verband beschäftige insoweit ausschließlich Volljuristen, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen seien. Weiter legte sie den Arbeitsvertrag vom 6.3.2012 vor (Bl. 16 VA).
Mit Bescheid vom 27.5.2013 (Bl. 25 VA) lehnte die Beklagte die Befreiung in der GRV ab, weil es sich bei der Verbandstätigkeit um keine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Die Merkmale der Rechtsentscheidung und Rechtsgestaltung seien nicht in hinreichendem Maße gegeben. Für ihre Beschäftigung als Juristin in der Abteilung Wirtschaftsrecht und Unternehmensführung des Verbandes sei das Zweite Juristische Staatsexamen und die damit erlangte Befähigung zum Richteramt nicht objektiv unabdingbare Zugangsvoraussetzung.
Den Widerspruch der Klägerin vom 13.6.2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2013 zurück (Bl. 45 VA). Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI lägen für die Beschäftigung der Klägerin als Juristin bei dem Verband in der Abteilung Wirtschaftsrecht und Unternehmensführung nicht vor. Erfasst werde nur diejenige Tätigkeit, die zum einen tatsächlich Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit aufweise und ferner auch ausschließlich für Personen mit diesem beruflichen Hintergrund zugänglich sei. Nicht entscheidend sei, ob der Arbeitgeber für die fragliche Tätigkeit bevorzugt Volljuristen einstelle. In der Gesamtschau müsse bei der Tätigkeit der Klägerin von einer nicht anwaltlichen Tätigkeit ausgegangen werden, weil für die zu erfüllenden Aufgaben eine Ausbildung als Jurist für Wirtschafts- und Vertragsrecht ausreichend sei. Die Entscheidung des Arbeitgebers, die Stelle mit einem Volljuristen zu besetzen, ergebe sich nicht zwingend aus der Aufgabenstellung der Tätigkeit, sondern sei Ergebnis einer freien arbeitgeberseitigen Entscheidung. Werde eine Tätigkeit ausgeübt, die auch anderen Berufsgruppen zugänglich sei, sei die fragliche Tätigkeit nicht geeignet, eine Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung zu begründen.
Dagegen hat die Klägerin am 3.1.2014 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG; S 10 R 131/14) erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass nach § 7 Abs. 2 RDG Verbände, die für ihre Mitglieder Rechtsdienstleistungen erbringen, dies durch Personen ausführen lassen müssen, welche die Befähigung zum Richteramt haben. Von daher sei die Befähigung zum Richteramt objektiv unabdingbare Einstellungsvoraussetzung gewesen. Zudem würdige die Beklagte das Aufgabengebiet der Klägerin nicht in G...