Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel ≪hier Rollstühle≫. Basisausgleich. körperlicher Freiraum
Orientierungssatz
Dem Basisausgleich des Erschließens eines körperlichen Freiraums, dh in der eigenen Wohnung und in dem Nahbereich davon, ist bereits dadurch Genüge getan, dass einem Versicherten einerseits ein in der Wohnung zu benutzender Rollstuhl, aber auch ein handgetriebener und schiebbarer Rollstuhl zur Verfügung steht, der außerhalb der Wohnung benutzt werden kann.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Elektrorollstuhl zur Verfügung zu stellen.
Der ... 1946 geborene verheiratete Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Seine Ehefrau war berufstätig, zuletzt halbtags vom 01. Januar bis 31. Dezember 1995. Er wohnt zusammen mit seiner Ehefrau im R-weg ... in ... R. Beim Kläger besteht seit 1992 ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus bei Adipositas permagna. Deswegen erfolgte 1999 eine Vorfußoperation links, im September 2001 eine Unterschenkelamputation rechts und am 14. Oktober 2005 eine Oberschenkelamputation links. Zuletzt fanden beim Kläger stationäre Behandlungen seit 25. Februar 2005 in der Angiologischen Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses U, vom 06. April bis 04. Mai, vom 27. Mai bis 15. Juni, vom 29. Juni bis 27. Juli, vom 29. September bis 10. Oktober und vom 10. bis 28. Oktober 2005 in der Chirurgischen Klinik des Bundeswehrkrankenhauses U, vom 06. bis 27. Mai 2005 in der Klinik H in Bad M sowie vom 03. bis 23. März 2006 in der Klinik für Physikalische und Rehabilitative Medizin U statt. Beim Kläger besteht nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) ein Grad der Behinderung (GdB) von 100; ferner sind die Merkzeichen G und aG festgestellt. Seit 01. September 2001 bezog der Kläger von der Pflegekasse der Beklagten Pflegegeld nach Pflegestufe I; seit 01. Februar 2005 erhält er insoweit Pflegegeld nach Pflegestufe II. Der Kläger ist mit zwei innerhalb und außerhalb der Wohnung benutzbaren Aktivrollstühlen versorgt.
Der Praktische Arzt Dr. H verordnete dem Kläger am 03. Mai 2004 einen Elektrorollstuhl für den Außenbereich wegen insulinpflichtigem Diabetes mellitus und diabetischer Gangrän. Diese Verordnung ging bei der Beklagten mit dem Kostenvoranschlag der Werkstatt für Orthopädie R und G GmbH in U vom 10. Mai 2004 über einen Betrag von € 3.367,99 für einen Elektrorollstuhl am 12. Mai 2004 ein. Die Beklagte zog das für die Pflegekasse erstattete Gutachten nach Aktenlage der Pflegefachkraft S vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in U vom 13. April 2004 bei, in dem darauf hingewiesen wurde, dass der Kläger auf den Rollstuhl angewiesen sei; er könne mit dem Rollstuhl im ebenen Wohnbereich selbstständig fahren. Ferner wurde das Gutachten des TÜV in U vom 14. März 2002 beigezogen. Dr. H reichte noch einen ausgefüllten Zusatzfragebogen zur Verordnung eines motorbetriebenen Kraftfahrzeugs vom 08. Juni 2004 ein. Er gab an, den Elektrorollstuhl benötige der Kläger für "Freizeit, Ausflüge". Mit dem angetriebenen Rollstuhl könne der Kläger "keine Steigungen hochkommen, nur durch Schieben". Im Sozialmedizinischen Gutachten vom 15. Juni 2004 führte Dr. K vom MDK in U aus, dass der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen mit Hilfsmitteln adäquat versorgt sei; die medizinische Erforderlichkeit eines Elektrorollstuhls könne daraus nicht schlüssig abgeleitet werden. Für den unmittelbaren Bereich des Wohn- und Lebensumfelds sei der Versicherte mit einem Aktivrollstuhl ausreichend mobil. Mit Bescheid vom 22. Juni 2004 lehnte danach die Beklagte die Übernahme der Kosten für einen Elektrorollstuhl ab. Der Behinderungsausgleich im Rahmen des Grundbedürfnisses "selbstständig zu gehen" sei nicht dahingehend zu verstehen, dass es der Krankenversicherung obliege, einen Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage zu versetzen, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen, die ein Nichtbehinderter bei normalem Gehen zu Fuß bewältigen könne. Die gesetzliche Krankenversicherung habe bei Verlust der Gehfähigkeit nur für einen Basisausgleich zu sorgen. Ein über den vorgenannten Rahmen hinausgehendes Bedürfnis zu gehen könne als Grundbedürfnis nicht anerkannt werden. Der Kläger widersprach der Leistungsablehnung. Die Beklagte erhob ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des Dr. K vom 13. Juli 2004, der nochmals darauf hinwies, dass der Kläger mit den vorhandenen Hilfsmitteln im Sinne des vom Bundessozialgericht (BSG) definierten Basisausgleichs adäquat versorgt sei, da er sich in der Wohnung und im unmittelbaren Nahbereich derselben mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl selbstständig bewegen könne. Für die Freizeitgestaltung einschließlich längerer Spaziergänge bestehe keine Versorgungspflicht zu Lasten de...