Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Gesundheitserstschaden. Schmerzen aufgrund des Unfalls. Symptom eines regelwidrigen Zustands. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. Wahrscheinlichkeit. sozialgerichtliches Verfahren. Streitgegenstand. pauschale Leistungsablehnung im Zusammenhang mit der Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalls. keine gesonderte Regelungswirkung in Bezug auf konkrete Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die pauschale Leistungsablehnung durch einen Unfallversicherungsträger im Zusammenhang mit der Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalls entfaltet keine gesonderte Regelungswirkung in Bezug auf konkrete Leistungen.

2. Der nach einem Unfallereignis angegebene Schmerz stellt nur ein Symptom eines regelwidrigen Zustands dar, aber keinen Gesundheitserstschaden. Ein solcher struktureller Gesundheitserstschaden muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit infolge der im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeführten versicherten Verrichtung naturwissenschaftlich-kausal nachgewiesen werden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Anerkennung des Unfallereignisses vom 16.04.2019 als Arbeitsunfall in Streit.

Der 1990 geborene Kläger war im Zeitpunkt des gegenständlichen Unfallereignisses bei der Beklagten als selbstständiger Landwirt unfallversichert. Am 16.04.2019 montierte er eine ungefähr 200 kg schwere Bordwand eines landwirtschaftlichen Transportanhängers, welche plötzlich kippte und von ihm in gebeugter Haltung mit Rotation im Oberkörper aufgefangen wurde. Aufgrund der daraufhin im Rücken verspürten Schmerzen brach er seine Arbeit ab. Ausweislich der Unfallanzeige vom 19.09.2019 nahm er seine Arbeit am 24.04.2019 wieder auf.

Aufgrund akuter Rückenschmerzen erfolgte am 17.04.2019 eine Behandlung bei dem Hausarzt R1, der ausweislich der von der Beklagten eingeholten Arztauskunft vom 21.10.2019 als Erstbefund „Lumbalgie“ angab. Die weitere Behandlung erfolgte ab dem 23.04.2019 bei C1, welcher die am 15.08.2019 durchgeführte MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule (LWS) veranlasste. Hiernach bestand eine frische subligamentäre Diskushernie aus LWK 5/SWK 1 mit Dorsalverlagerung und mäßiger Bedrängung der abgehenden linken S1-Nervenwurzel und geringer Impression des weit abgrenzbaren Duralsacks, eine geringe Osteochondrose und geringe Veränderungen nach Morbus Scheuermann der oberen LWS. Die übrigen Strukturen (übrige Bandscheiben, Wirbelkörper, Myelon mit Konus und Cauda im weit abgrenzbaren Spinalkanal, freie Neuroforamina, keine extraforaminale Diskushernie, Facettengelenke, dorsaler Beckenring mit Iliosakralgelenken und umgebende Weichteile) zeigten sich unauffällig (Befundbericht der H1 u.a. vom 15.08.2019).

B1 gab in seinem Durchgangsarztbericht vom 19.09.2019 über die Behandlung des Klägers vom selben Tag an, es handele sich um einen nach heftiger Stauchung der Wirbelsäule erlittenen traumatischen Bandscheibenschaden mit Radikulopathie links.

Nach Beiziehung des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse des Klägers holte die Beklagte die ärztliche Stellungnahme des Beratungsarztes V1 ein, der angab, der MRT-Befundbericht bestätige, dass eine Osteochondrose und ein Bandscheibenvorfall, nicht aber Traumafolgen erkennbar seien und auch keine Veränderungen, die auf ein stattgehabtes Trauma hinwiesen. Es handele sich um einen anlagebedingten Bandscheibenvorfall. Es habe zu keinem Zeitpunkt unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit bestanden (beratungsärztliche Stellungnahme vom 28.10.2019).

Mit Bescheid vom 29.10.2019, der mit „Ereignis vom 16.04.2019 - Ablehnung eines Versicherungsfalls“ überschrieben war, führte die Beklagte aus: „Die Entschädigung des Ereignisses vom 16.04.2019 wird abgelehnt, weil es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt hat. Für die seit dem 16.04.2019 ärztlich behandelten Beschwerden im Bereich der Bandscheiben wird eine Entschädigung nicht gewährt.“ Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, nach der geltenden medizinischen Lehrmeinung sei ein durch Unfall verursachter Bandscheibenvorfall ohne Begleitverletzungen nicht denkbar. Einblutungen, Flüssigkeits-einlagerungen oder Hinweise auf ein Knochenmarködem, wie es für eine schädigungsrelevante Stauchungseinwirkung auf die Wirbelsäule zu fordern sei, seien nicht festgestellt worden. Vielmehr hätten die bildgebenden Befunde einen anlagebedingten Bandscheibenvorfall bestätigt.

Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger im Wesentlichen aus, nach Auffassung seiner behandelnden Ärzte C1 und B1 sei eine Bandscheibenverletzung durch das Unfallereignis vom 16.04.2019 durchaus plausibel.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund des Befundes ...

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