Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Vergütungsanspruch des Leistungserbringers. eigenständiger vom Leistungsanspruch des Versicherten unabhängiger Anspruch. Anspruch auf häusliche Krankenpflege umfasst auch Medikamentengabe sowie Kontrolle von Wirkungen und Nebenwirkungen. Verordnungsberechtigung von Ärzten einer Psychiatrischen Institutsambulanz. vorherige Beantragung der Leistungen durch Versicherten und vorherige Bewilligung durch Krankenkasse. Leistungsverweigerung durch Krankenkasse gegenüber Leistungserbringer. keine Leistungsablehnung. Zulässigkeit der Feststellungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Vergütungsanspruch der Erbringer von Leistungen der häuslichen Krankenpflege ist ein vom Leistungsanspruch des Versicherten unabhängiger eigenständiger Anspruch. Er korrespondiert idR mit dem Leistungsanspruch der Versicherten, kann aber unter besonderen Umständen auch ohne einen solchen Leistungsanspruch bestehen oder trotz Bestehens eines Leistungsanspruchs nicht gegeben sein.

2. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege kann auch die Medikamentengabe sowie die Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten umfassen.

3. Auch die Ärzte einer Psychiatrischen Institutsambulanz sind berechtigt, im Einzelfall häusliche Krankenpflege zu verordnen.

4. Leistungen der häuslichen Krankenpflege bedürfen grundsätzlich der vorherigen Beantragung durch den Versicherten und der vorherigen Bewilligung gegenüber dem Versicherten durch die zuständige Krankenkasse.

5. Verweigert die Krankenkasse die Bezahlung der (verordneten und erbrachten) Leistungen gegenüber dem Erbringer von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, weil sie der Ansicht ist, dass diese Leistungen im Leistungsspektrum der Institutsambulanz bereits enthalten sind, liegt darin keine Leistungsablehnung, die der Leistungserbringer gegen sich gelten lassen müsste.

 

Orientierungssatz

Die Frage, ob eine Medikamentengabe bereits Teil der Leistungen einer Psychiatrischen Institutsambulanz ist und daher einem Leistungsanspruch nach § 37 Abs 2 SGB 5 entgegensteht, betrifft ein Rechtsverhältnis iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 90.619,66 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung von ärztlich verordneten Leistungen häuslicher Krankenpflege (hier: Medikamentengabe) streitig, die ihr Psychiatrischer Pflegedienst (“Ambulante Psychiatrische Pflege„; APP) Patienten ihrer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA), die bei der Beklagten krankenversichert sind, erbracht hat und erbringt.

Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt neben einem in den Krankenhausplan des Landes B.-W. aufgenommenen psychiatrischen Fachkrankenhaus eine PIA sowie den - ohne eigene Rechtspersönlichkeit - bei den Krankenkassen zugelassenen APP. Die Ermächtigung zur Erbringung ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung von Versicherten basiert auf den Beschlüssen des Zulassungsausschusses vom 18. Dezember 2001 und des Berufungsausschusses bei der Kassenärztlichen Vereinigung S. vom 24. November 2004. Gemäß Ziff I des Beschlusses des Zulassungsausschusses umfasst die Ermächtigung neben der Durchführung psychiatrischer und psychotherapeutischer Leistungen bei Patienten, die sich nicht in der Behandlung bei einem niedergelassenen oder zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassenen Psychiater oder Nervenarzt befinden ua auch Hausbesuche im Sinne der aufsuchenden Hilfe. In der Entscheidung des Berufungsausschusses wurde der Ermächtigungsumfang in Anlehnung an die auf Bundesebene unter dem Datum vom 14. Februar 2001 geschlossene Vereinbarung nach § 118 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dahingehend konkretisiert, dass Ziel der Behandlung sein müsse, Krankenhausaufnahmen zu vermeiden oder stationäre Behandlungszeiten zu verkürzen. Die Vereinbarung nach § 118 Abs 2 SGB V vom 14. Februar 2001 wurde ua vom Bundesverband der Beklagten und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beschlossen. Hierin wird in § 1 (Ziele) geregelt, dass die PIA___AMPX_’_SEMIKOLONX___Xs einen spezifischen Versorgungsauftrag erfüllen, nämlich speziell für Kranke, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung eines solchen besonderen, krankenhausnahen Versorgungsangebotes bedürfen. Es sei nicht Ziel der Ermächtigung von PIA___AMPX_’_SEMIKOLONX___Xs, neben ambulanter außerklinischer Versorgung zusätzliche Angebote im Sinne von Doppelstrukturen aufzubauen. § 3 (Patientengruppen) regelt, dass der Behandlung in einer PIA Personen bedürfen, bei denen einerseits in der Regel langfristige, kontinuierliche Behandlung medizinisch notwendig ist und andererseits mangelndes Krankheitsgefühl und/oder mangelnde Krankheitseinsicht und/oder mangelnde Impu...

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