Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Rentenversicherung. maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB 9 bei Hörgeräteversorgung. bestmögliche Versorgung. keine Aufspaltung der Antragstellung. Abgrenzung der Leistungspflicht im Hilfsmittelbereich
Leitsatz (amtlich)
1. Die Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteversorgung an den Hörgeräteakustiker und die Weiterleitung an die zuständige Krankenkasse ist als maßgebliche Antragstellung im Sinne des § 14 SGB 9 anzusehen. Die Antragstellung ist auf bestmögliche Hörgeräteversorgung gerichtet; eine Aufspaltung in zwei separate Leistungsanträge (auf Bewilligung des Festbetrags und auf über den Festbetrags hinausgehende "Premiumversorgung") scheidet aus (Anschluss an BSG, Urteil vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R = BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19).
2. Die Abgrenzung des Umfangs der Leistungspflicht zwischen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung im Bereich von geltend gemachten Teilhabeleistungen richtet sich danach, ob das begehrte Hilfsmittel - hier das Hilfsmittel Hörhilfe - dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dient (Leistungspflicht der Krankenversicherung) oder ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile bietet (Leistungspflicht der Rentenversicherung).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. April 2010 abgeändert.
Die Beigeladene wird unter Abänderung des Bescheids vom 28. Juni 2007 verurteilt, der Klägerin die über den Festbetrag hinausgehenden Kosten für die Hörgeräteversorgung mit zwei Hörgeräten der Marke Phonak Savia 22 stereo in Höhe von insgesamt 3.946,50 € zu erstatten.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beigeladene hat der Klägerin 3/4 der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Beklagte hat der Klägerin 1/4 der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für Hörgeräte streitig, soweit sie den Festbetrag der Krankenkasse übersteigen.
Die 1949 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an Presbyakusis beidseits und ist auf Hörgeräte angewiesen. Seit 1994 ist sie als Buchhalterin und Personalsachbearbeiterin bei der Firma Sp. Electronic GmbH & Co. KG in S. versicherungspflichtig beschäftigt.
Der behandelnde Vertragsarzt Dr. B. verordnete der Klägerin am 27. Juni 2007 aufgrund der Diagnose Presbyakusis Hörhilfen beidseits. Die Beigeladene bewilligte am 28. Juni 2007 eine Kostenübernahme in Höhe von 1.212,80 €; dieser Betrag setzt sich aus dem Festbetrag von 823,00 € sowie einer Reparaturpauschale in Höhe von 194,90 € je Hörgerät zusammen.
Am 5. November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme des Eigenanteils bei hochwertigen Hörgeräten. Sie gab an, bei dem beruflich bedingten starken Außenkontakt mit Kunden am Telefon und Mitarbeitern im Personalbereich durch ihre starke Hörbehinderung sehr stark gehandicapt zu sein, da sie immer mehrmals nachfragen müsse. Das habe sich zuletzt sehr verstärkt, so dass sie Sorge habe, ihrer Position nicht mehr gerecht zu werden.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 legte sie die Verordnung einer Hörhilfe durch den Hals-Nasen-Ohren Arzt Dr. B. sowie einen Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers vom 7. Dezember 2007 und eine ärztliche Bescheinigung des Dr. B. vom 21. Dezember 2007 vor. Aus dem Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers O. geht hervor, dass insgesamt vier Hörgeräte getestet wurden, das Gerät Phonak Savia 22, das Gerät Phonak eXtra 22 ITC, das Gerät Siemens Artis S sowie das Gerät Siemens Infiniti Basic. Mit dem Gerät Phonak Savia 22 konnte subjektiv ein Sprachverständnis von 95 %, mit dem Gerät Phonak eXtra 22 ITC von 85 %, mit dem Gerät Siemens Artis S von 85 % sowie mit dem Gerät Siemens Infiniti Basic von 80 % erreicht werden. Durch den Hörgeräteakustiker wurde vorgeschlagen, die Klägerin mit dem Gerät Phonak Savia 22 Stereo zu versorgen. Verschiedene HdO-Systeme seien zur Probe geliefert worden. Die Klägerin wünsche eine IdO-Versorgung mit Lautstärkeregulierung. Das volldigitale Phonak Savia 22 mit Lautstärkewippe sei subjektiv am besten gewesen. Das Verstehen im Störschall sei mit 60 % zu beziffern. Die HdO-Otoplastiken seien am 7. Dezember 2007 geliefert worden zu einem Preis von 1.192,80 € (1.212,80 € abzüglich 20,00 € gesetzliche Gebühr). Unter dem 21. Dezember 2007 bescheinigte Dr. B., sich davon überzeugt zu haben, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Hörverbesserung erzielt werde. Das vorgeschlagene Gerät sei zweckmäßig. Weiter wird vorgelegt eine Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 11. Juli 2007 über die Geräte Phonak Savia 22 sowie das Festbetragsgerät Siemens Infiniti Basic (Bl. 17 f der Verwaltungsakte). Unter dem 7. Dezember 2007 wurde ein Kostenvoranschlag für die Stere...