Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Abzug des Anteils für Mittagessen vom Sozialgeld. Eingliederungshilfe. Ermessensleistung. Essensgeld für mittägliche Schulverpflegung. Ganztagesschule für Sprachbehinderte. Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung
Leitsatz (amtlich)
Kosten für Schulessen können als Ermessensleistung nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Form der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung erbracht werden. Da das Schulessen nicht nur der Eingliederungshilfe, sondern auch der Ernährung dient, ist es gerechtfertigt, den im Sozialgeld hierfür anteilig vorgesehenen Anteil bei der Bemessung der Höhe der Leistung abzuziehen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 7. August 2006 abgeändert, der Bescheid der Beklagten vom 9. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2005 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag auf Übernahme der Kosten für das Schulessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme von Essensgeld, das er an Tagen eines ganztägigen Schulbesuchs in der Zeit vom 1. März 2005 bis 31. Oktober 2006 zu entrichten hatte.
Der 1997 geborene Kläger lebt zusammen mit seinen Eltern und zwei Geschwistern in einer Wohnung. Nach dem Bezug von Sozialhilfe erhalten die Familienmitglieder seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der Kläger erhielt insoweit Sozialgeld in Höhe von 207 € sowie anteilige Unterkunftskosten. Zur Höhe der Regelleistung und der Kosten der Unterkunft liegt für das Jahr 2005 ein rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vor (Urteil vom 22. Oktober 2008 - L 3 AS 4935/06 -).
Der Kläger besuchte ab dem Schuljahr 2003/04 eine Schule für Sprachbehinderte mit Ganztagsunterricht und dem Angebot eines Mittagessens; seit dem Schuljahr 2007/08 besucht er eine Regelschule (Hauptschule). Die für das Mittagessen anfallenden Kosten wurden bis Februar 2005 vom Beigeladenen bezuschusst. Nachdem der Kreistag die Einstellung der Förderung der Schulessen ab März 2005 beschlossen hatte, übersandte der Beigeladene die ihm von der Schule vorgelegten Essensrechnungen an die Beklagte mit der Bitte um Bearbeitung in eigener Zuständigkeit.
Mit Bescheid vom 9. August 2005 lehnte die Beklagte die Übernahme des Essensgeldes ab, da der Bedarf nach Sicherstellung der Ernährung bereits bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts berücksichtigt worden sei.
Mit seinem Widerspruch machte der Vater des Klägers geltend, das Essensgeld sei erheblich gestiegen, die Leistungen nach dem SGB II reichten hierfür nicht aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, von dem Sozialgeld von 207 € entfielen ca. 38% auf Nahrung und Getränke.
Hiergegen richtet sich die am 2. Dezember 2005 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. August 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar könnten neben der Regelleistung nach §§ 21 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II auch Mehrbedarfe gezahlt werden, wenn Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erbracht werde. Da der Kläger tatsächlich keine Eingliederungshilfe erhalte, lägen auch die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nicht vor. Eine weitergehende Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich.
Die hiergegen gerichtete Berufung hat der Senat mit Urteil vom 26. Januar 2007 (L 12 AS 4540/06) zurückgewiesen. Die vorgelegten Rechnungen für Essensgeld umfassten eine Spanne von 22 € bis 12 €. Es sei nicht erkennbar, weshalb ein monatlicher Betrag von 22 € nicht im Sozialgeld enthalten sein solle. Eine außergewöhnliche Belastung könne auch nicht deshalb anerkannt werden, weil dem aufgewendeten Betrag eine Ersparnis von Aufwendungen gegenüber stehe. Es erscheine auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht bedenklich, dass angesichts der vorliegend umstrittenen Beträge keine besondere Vorschrift existiere, die eine Berücksichtigung dieses Bedarfs zulasse.
Nach Zulassung der vom Kläger eingelegten Revision hat das Bundessozialgericht (BSG) das Senatsurteil vom 26. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Verfahren leide an dem Mangel, dass das LSG den (eigentlich) für eine mögliche Leistung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zuständigen Sozialhilfeträger nicht beigeladen habe. Die Notwendigkeit der Beiladung ergebe sich aus den Besonderheiten des Rehabilitationsverfahrens, insbesondere aus § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Die erforderlichen Feststellungen, zu welchem Zeitpun...