Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungsfreiheit. hauptamtlicher Bürgermeister. Wahlbeamter. Ablauf der Amtszeit vor Erreichen einer Altersgrenze. Ruhestand. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die einem hauptamtlichen Bürgermeister, der nach Ablauf der Wahlperiode nicht wiedergewählt worden ist, nach baden-württembergischen Recht gezahlten Versorgungsbezüge begründen keine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Orientierungssatz

Es ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, allen Personen, die eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften beziehen, stets Versicherungsfreiheit in einer Beschäftigung einzuräumen, wenn die Versorgung nach objektiven Maßstäben ausreichend ist (vgl BSG vom 17.6.1999 - B 12 KR 18/98 R = BSGE 84, 115 = SozR 3-2600 § 5 Nr 6).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2009 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der Kläger in der Rentenversicherung versicherungsfrei ist.

Der am … 1951 geborene Kläger war nach einer Verwaltungslehre vom 15. Juni 1966 bis 13. Mai 1969 als Verwaltungsangestellter bis 31. Dezember 1969 versicherungspflichtig beschäftigt, vom 01. Januar 1970 bis 31. Januar 1971 Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, bis 31. Juli 1996 Beamter auf Probe bzw. auf Lebenszeit und in der Zeit vom 01. August 1996 bis 31. Juli 2004 als Wahlbeamter (Beamter auf Zeit) hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt S. in Baden-Württemberg. Nach Ablauf der achtjährigen Amtszeit als Bürgermeister wurde er nicht wiedergewählt. Er trat am 01. August 2004 in den Ruhestand und erhält seither Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) in Höhe von 75 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge eines Beamten der Besoldungsgruppe A 16 Stufe 12 (Bescheid des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg vom 28. Mai 2004). Seit dem 01. November 2004 befristet bis 31. Dezember 2010 war der Kläger bei dem Beigeladenen zu 2), einem Abgeordneten des Deutschen Bundestags, als wissenschaftlicher Mitarbeiter gegen ein Entgelt, zuletzt nach dem Arbeitsvertrag vom 12. Oktober 2009 brutto € 2.800,00, beschäftigt. Der für die Verdienstabrechnung zuständige Deutsche Bundestag führte für den Kläger seit 01. November 2004 u.a. Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte als Einzugsstelle ab.

Am 23. Januar 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten, an die die Beigeladene zu 1) den Kläger als die zuständige Einzugsstelle verwiesen hatte (Schreiben der Beigeladenen zu 1) vom 19. Januar 2007), die Prüfung, ob er von der Rentenversicherungspflicht befreit werden könne. Die von ihm zu entrichtenden Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung und die hieraus resultierende Rente würden auf seine Pension angerechnet, sodass für ihn die Beiträge zur Rentenversicherung verloren seien und er keine Vorteile aus seinen Beiträgen habe.

Mit Bescheid vom 15. April 2008 lehnte die Beklagte eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab 01. November 2004 ab, weil für einen Wahlbeamten, der nach Ablauf seiner Wahlzeit vor Erreichen einer Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden sei und Versorgungsbezüge erhalte, nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Juni 1999 - B 12 KR 18/98 R - (SozR 3-2600 § 5 Nr. 6) in einer anschließend ausgeübten Beschäftigung keine Rentenversicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 4 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestehe.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den er damit begründete, dass das Urteil des BSG auf seinen Fall nicht angewendet werden könne. Dort sei es um einen Beamten auf Zeit in Nordrhein-Westfalen gegangen, bei ihm gelte aber das Landesrecht für Baden-Württemberg. Nach § 44 Abs. 2 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG-NRW) trete ein Beamter auf Zeit nach Ablauf seiner Amtszeit in den Ruhestand, wenn er insgesamt eine mindestens zehnjährige ruhegehaltsfähige Dienstzeit abgeleistet habe. Eine Altersgrenze sei nicht vorgesehen. In Baden-Württemberg bestimme demgegenüber § 131 Abs. 1 Nr. 1 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg (LBG-BW), dass ein Beamter auf Zeit nach Ablauf seiner Amtszeit in den Ruhestand trete, wenn er eine Dienstzeit von 18 Jahren zurückgelegt und das 45. Lebensjahr vollendet habe. Deshalb sei in seinem Fall nicht das Ende der Amtszeit, sondern das Erreichen einer Altersgrenze entscheidend für seinen Eintritt in den Ruhestand gewesen. Damit sei die Vorgabe des § 5 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI erfüllt. Im Übrigen seien seine lebenslangen Versorgungsbezüge genau so hoch, wie wenn er aufgrund der für Bürgermeister in Baden-Württemberg geltenden allgemeinen Altersgrenze von 68 Jahren in den Ruhestand getreten wäre. Eine zusätzliche Altersversorgung sei nicht erforderlich.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2008 berichtigte die Beklagte den ursprünglichen Bescheid, weil dieser formal falsch sei. Die i...

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