Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. ergänzende Leistung. Geldleistung. Dienst- und Sachleistungsprinzip. Kostenübernahme für eine angeordnete Betreuung
Orientierungssatz
Die Kosten für eine angeordnete Betreuung können weder gem § 39 Abs 1 Halbs 2 Nr 2 SGB 7 noch gem § 39 Abs 2 SGB 7 im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 26 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 4 SGB 7) übernommen werden (Entgegen SG München vom 22.10.2003 - S 41 U 325/03 = BtPrax 2004, 158; Entgegen LSG Mainz, L 3 U 172/03 = BtPrax 2005, 115; Entgegen SG Gießen vom 18.8.2006 = FamRZ 2007, 766).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.12.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kosten für die Betreuung des Klägers durch einen Berufsbetreuer von der Beklagten zu übernehmen sind.
Der 1953 geborene Kläger erlitt am 20.11.1996 einen Arbeitsunfall. Mit Urkunde vom 02.11.1998 bestellte das Notariat I W. - Vormundschaftsgericht - für den Kläger einen Betreuer, dessen Aufgabenkreis die Vertretung des Klägers in der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitsfürsorge einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen, den Heimangelegenheiten, der Regelung von Wohnungsangelegenheiten, der Vermögenssorge einschließlich der Vertretung gegenüber Banken, Behörden und Versicherungen sowie der Entgegennahme, des Öffnens und des Anhaltens der Post umfasst. Nachdem die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 14.01.1999 vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vom Hundert (v. H.) ab 20.05.1998 bewilligt hatte, gewährte sie mit Bescheid vom 08.11.1999 Rente nach einer MdE um 70 v. H. auf unbestimmte Zeit und stellte als Folgen des Versicherungsfalls “hirnorganisches Psychosyndrom mit anteilmäßiger Antriebsminderung und Affektverflachung, mit verminderter Kritik- und Urteilsfähigkeit, fehlender Krankheitseinsicht und Impulskontrollverlust nach Contusio cerebri. Leichte zentral motorische Hemiparese links. Anteilmäßige Gangataxie. Knöchern verheilter Speichenköpfchenbruch links. Köchern verheilte Rippenserienfraktur 2 - 9 links. Milzriss mit anschließender operativer Milzentfernung. Knöchern verheilter Augenhöhlenbruch links„ fest.
Am 06.07.2005 beantragte der Kläger die Übernahme der Betreuervergütung in Höhe von 35.996,51 €. Mit Bescheid vom 04.04.2007 lehnte die Beklagte, nachdem sie zuvor mit Bescheid vom 05.09.2006 Pflegegeld der Kategorie III mit 60 % des Höchstbetrages ab 01.12.2000 bewilligt hatte, die Übernahme von Betreuungskosten ab. Unabhängig von der Frage, ob vorliegend Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) überhaupt Anwendung fänden, lasse sich ein Anspruch auf Übernahme von Betreuungskosten weder aus §§ 547 und 563 RVO noch aus §§ 557 und 558 RVO herleiten. Auch ergebe sich kein Anspruch nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Mit den von § 39 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII in der Fassung ab 01.01.1997 (a. F.) umfassten Leistungen seien konkrete Hilfen gemeint, wie Hilfen im Haushalt, Erholungsaufenthalte für Schwerstverletzte, Heizkostenbeteiligungen, technische Arbeitshilfen, Betreuung durch Berufshelfer oder Aufsichtspersonen nach Aufnahme einer Tätigkeit sowie Hilfsmittel und Gebrauchsgegenstände bei besonderen Verletzungen, nicht aber eine rechtliche Betreuung nach §§ 1896 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Bei der von § 39 Abs. 2 SGB VII a. F. geregelten besonderen Unterstützung handle es sich um rein ergänzende Leistungen im Falle einer laufenden Rehabilitationsmaßnahme, was bei einer von Rehabilitationsmaßnahmen unabhängigen rechtlichen Betreuung nicht der Fall sei. Zu den in § 44 SGB VII geregelten Tätigkeiten der Pflege zähle die rechtliche Betreuung ebenfalls nicht. Ein Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten lasse sich auch nicht aus § 15 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) herleiten, da vorliegend diese Vorschrift keine Anwendung finde, weil der Betreuer nicht auf Ersuchen des Versicherungsträgers bestellt worden sei und nach dieser Vorschrift allenfalls der Betreuer selbst einen Kostenübernahmeanspruch gegen die Berufsgenossenschaft habe. Andere Vorschriften, aus denen sich eine Übernahme der Betreuungskosten ergeben könnten, seien nicht ersichtlich. Damit fehle es an einer gemäß § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erforderlichen Rechtsgrundlage für die Übernahme der Betreuungskosten. Ferner seien als Folgen eines Arbeitsunfalls nur unmittelbare und mittelbare Gesundheitsschäden einer Entschädigung zugänglich. Sachschäden seien nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 13 SGB VII zu ersetzen, wozu der Kostenaufwand für eine rechtliche Betreuung gerade nicht zähle. Auch bestehe keine planwidrige Regelungslücke. Vielmehr umfasse nach Ansic...