Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. Unterlassung. gefährdende Tätigkeit. schwere Hauterkrankung. Latexallergie. psychische Fehlverarbeitung. Ursache des Aufgabezwangs. Arzthelferin

 

Leitsatz (amtlich)

Eine eventuell durch eine Latex-Allergie ausgelöste erhebliche psychische Störung mit der Ausbildung allergieähnlicher, aber nicht durch die Allergie selbst ausgelöster erheblicher Symptomatik, die eine Rückkehr in den Beruf nicht zulässt, begründet keinen Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit iS der Nr 5101 der Anlage zur BKV. Denn der Aufgabezwang muss durch die Hauterkrankung verursacht sein, hier steht aber eine psychische Erkrankung im Vordergrund.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt.

Die am ... 1955 geborene Klägerin arbeitete ab 1974 mit Unterbrechungen bei verschiedenen Arbeitgebern als Arzthelferin, wobei sie mit Latexhandschuhen in Kontakt kam. Sie selbst benutzte ab 1992 nach eigenen Angaben (so am 9. Oktober 1997 und bei einer Untersuchung am 20. Dezember 2004) konsequent Vinyl-Handschuhe. Nach 1992 arbeitete sie als Arzthelferin (wobei es nach ihren Angaben auch zu Kontakt mit Latex-Handschuhen kam) von Dezember 1993 bis April 1995 bei Dr. B. (Abrechnungs- und Laborarbeiten in Allgemeinpraxis), von Juli 1995 bis Dezember 1996 bei Dr. H. (Telefondienst, Patienten-Annahme, Labortätigkeit, EKG usw.; gewisse Allergieneigung, aber ansonsten keine Erkrankung bekannt geworden) und von Januar bis Dezember 1997 befristet bei Dr. A. (Patientenannahme, Ausstellen von Rezepten, Telefondienst, EKG, Injektionen, Labor sowie Blutdruckmessung wobei nach Angaben der Klägerin auch durch das Blutdruckmessgerät Kontakt zu Latex bestand und sie nach Angaben des Arbeitgebers maximal 15 Minuten pro Woche bei Desinfektionsarbeiten mit Latex-Handschuhen arbeitete, die wie der Gummiball am Blutdruckmessgerät durch latexfreie Produkte ersetzbar seien und - laut Angaben im Verfahren wegen Atemproblemen - vorhanden waren). Von Juli bis November 1998 arbeitete sie bei einem Diabetesservice im Bürobereich (Sachbearbeitung), wobei sie nach eigenen Angaben Belastungen durch Pflanzen (Ficus Benjamini, Gummibaum) ausgesetzt war. Wiederum als Arzthelferin an der Rezeption arbeitete sie von November 1998 bis Januar 1999 bei Dr. B. (Anmeldung, Organisation) und hatte nach eigenen Angaben Kontakt zu Latex infolge Übertragung durch die Klimaanlage. Von April 1999 bis August 2000 arbeitete sie als Arzthelferin bei Dr. B. (Anmeldung, Archivarbeiten, nuklearmedizinische Untersuchungen; 13. bis 16. April, 9. bis 13. Juli und 15. Oktober bis 31. Dezember 1999 sowie ab 13. Januar 2000 arbeitsunfähig) und war nach ihren Angaben Belastungen durch Latexhandschuhe, Gummiwalzen im Drucker, den Abrieb des Gummiballs in der Computermaus und am Mauspad sowie durch eine Pflanze (Ficus Benjamini) ausgesetzt. Danach war die Klägerin arbeitslos. Vom 2. bis 25. April 2002 arbeitete sie in einer Augenarztpraxis, wobei trotz weitgehender Allergenfreiheit (keine Latexhandschuhe, kein Ficus Benjamini, latexfreie Radiergummis, latexfreie Computermaus) Juckreiz, Bronchitis und Herzrhythmusstörungen auftraten und eine Fortsetzung nur noch unter einer Cortisontherapie möglich gewesen wäre (Bescheinigung der Arbeitgeberin Dr. S.).

Die Klägerin, die vom 9. September bis 7. Oktober 1993 u. a. wegen depressivem Syndrom und psychovegetativer Erschöpfung sowie vom 9. bis 13. Juli 1999 u. a. wegen psychischer Dekompensation und psychophysischer Erschöpfung arbeitsunfähig war, leidet im Wesentlichen unter einer Allergie vom Soforttyp gegen Naturlatex und Typ IV-Sensibilisierungen gegen verschiedene Stoffe. Auf Grund der Latex-Allergie kam es zur Hauterscheinungen. Im Dezember 1999 gab sie dann an, sie leide auf Grund der Allergie inzwischen auch zunehmend unter Atembeschwerden sowie Herzrasen, Rhythmusstörungen und erhöhtem Blutdruck.

Durch einen Hautarztbericht des Dr. B. vom August 1997 erlangte die Beklagte Kenntnis, dass die Klägerin unter einer erstmals 1987 an der Hand aufgetretenen Hauterkrankung leide, die durch Latexhandschuhe verursacht sei. Sie empfahl die Verwendung latexfreier Schutzhandschuhe sowie weitere Hautschutzmaßnahmen und führte zunächst weitere Ermittlungen wegen einer gleichfalls als BK nach Nrn. 4301 und 4302 der Anlage zur BKV geltend gemachten Atemwegserkrankung (abgelehnt mit Bescheid vom 23. Juli 1998 und Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2001, Rücknahme der Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart ≪SG≫, S 9 U 3453/01, am 22. Oktober 2003) durch.

Nach Mitteilung der Internistin Dr. F. , die Hauterkrankung habe sich verschlimmert, holte die Beklagte Berichte behandelnder Ärzte ein und veranlasste die Erstellung eines h...

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