Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Wie-Beschäftigung. nachbarschaftliche Mithilfe an einer Traktorreparatur. geringfügige Hilfstätigkeit. besonders enges Nachbarschaftsverhältnis. keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Feststellungsbefugnis eines Kfz-Haftpflichtversicherers in analoger Anwendung des § 109 S 1 SGB 7
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kfz-Haftpflichtversicherer kann eine kombinierte (Dritt-)Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls zulässig erheben (Anschluss an BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 5/11 R = NZS 2012, 826).
2. Im Zuständigkeitsbereich des § 128 Abs 1 Nr 9 SGB 7 ist jeder nicht gewerbsmäßige Fahrzeughalter Unternehmer.
3. Bei relativ geringfügigen Hilfeleistungen wird bei einem normalen Nachbarschaftsverhältnis keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit verrichtet.
Orientierungssatz
Für die Geltendmachung eines berechtigten Feststellungsinteresses nach § 109 SGB 7 für die haftungsprivilegierten Personen ist es ausreichend, dass diese bei tatsächlicher Inanspruchnahme durch den Versicherten die Möglichkeit einer Schadensersatzforderung darlegen. Nicht erforderlich ist, dass sie nachweisen, sie seien bereits verklagt oder könnten erfolgreich in Anspruch genommen werden (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 18.12.2008 - L 31 U 479/08 = VersR 2009, 567).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Feststellung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall i. S. des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Die Beigeladenen zu 1 und 2 bewohnten zum Zeitpunkt des hier streitbefangenen Unfallereignisses einander gegenüberliegende Nachbargrundstücke in N.-H., einem Dorf mit ca. 500 Einwohnern. Der 38 Jahre alte Beigeladene zu 2, ein Gas- und Wasserinstallateur, der keinen landwirtschaftlichen Betrieb, auch nicht im Nebenerwerb, unterhält, nahm an seinem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Traktor (vgl. Bl. 25 Behördenakte - BA) am 09.04.2011 Reparaturarbeiten vor. Wegen einer Beanstandung des TÜV hatte er die Vorderachse ausbauen müssen, die sich beim Einbau allerdings verkantet hatte. Alle Bemühungen, die Achse wieder gerade einzubauen, blieben erfolglos, auch das Einschlagen mit dem Vorschlaghammer und einem Kunststoffhammer fruchteten nicht. Als der am 05.06.1980 geborene Beigeladene zu 1, ein am Ionenstrahltherapiezentrum in H. für die elektrischen und elektronischen Geräte zuständiger Elektrotechniker, mit seiner Ehefrau und dem damals dreijährigen Sohn vom Einkaufen zurück kam, kam der Beigeladene zu 2 auf ihn zu und schilderte ihm seine Probleme mit dem Traktor. Obwohl der Beigeladene zu 1 seinen Sohn zu beaufsichtigen hatte und eine Pizza vorbereiten wollte, erklärte er sich bereit, dem Beigeladenen zu 2 zu helfen. Er brachte seinen Sohn zu seiner im selben Haus wohnenden Schwiegermutter, der er mitteilte, etwas Zeit zu brauchen. Sodann ging er dem Beigeladenen zu 2 zur Hand, indem er einen Kunststoffhammer so hielt, dass der Beigeladene zu 2 mit dem Vorschlaghammer auf das Kunststoffteil schlagen konnte, um das dahinter befindliche Metallteil einzupressen. Hierbei löste sich ein Splitter von dem Kunststoffteil und verletzte den Beigeladenen zu 1 am rechten Auge. Er befand sich wegen dieses Ereignisses bei Kostenübernahme durch die B. E. vom 09. bis 16.04.2011 in stationärer Behandlung in der Universitäts-Augenklinik H. und anschließend in ambulanter Behandlung (Bl. 9 BA). Im Formularfragebogen der B. E. gab der Beigeladene zu 1 am 18.04.2011 an, er habe seinem Nachbarn beim Einpressen der Vorderachse seines Traktors geholfen (Bl. 10 BA). Beim Einschlagen der Bauteile habe er einen Kunststoffhammer unterlegt, um die Buchse nicht zu beschädigen. Sein Nachbar habe darauf geschlagen. Dabei habe sich ein Splitter vom Kunststoffhammer gelöst und sein rechtes Auge getroffen. Dieses sei durch den scharfkantigen Splitter regelrecht gespalten worden (Nr. 4). In einer Gesprächsnotiz der B. E. vom 27.06.2011 wird über einen Telefonanruf des Beigeladenen zu 1 berichtet, der nachgefragt habe, ob es sich bei dem Unfall vom 09.04.2011 tatsächlich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Auf Rückfrage habe der Beigeladene zu 1 erklärt, dass sein Nachbar und Freund E. H. keinen landwirtschaftlichen Betrieb habe und den Traktor nur besitze, um damit für den Eigenbedarf Brennholz zu produzieren. Die Gefälligkeitsleistung für den Beigeladenen zu 2 sei aus den guten rein freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Beziehungen erfolgt. Sie würden sich bei solchen Dingen grundsätzlich gegenseitig helfen (Bl. 7 BA).
Nachdem die Beklagte über die B. E. Kenntnis von diesen Vorgängen erlangt hatte, trat sie in die Ermittlungen ein und befragte die Beigeladenen zu 1 und 2....