Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Sachleistungsprinzip. Kostenerstattung. Beschränkung der freien Arztwahl. kein Verstoß gegen Verfassungs- oder EU-Recht
Orientierungssatz
1. Aus Art 2 Abs 2 S 1 GG ergibt sich kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung einer den Wünschen des Versicherten entsprechenden Versorgung und auch nicht auf die Gewährung finanzieller Leistungen hierfür.
2. Der Gleichheitssatz gebietet die Arztwahl sowohl der Pflichtversicherten wie auch der freiwillig Versicherten auf die Behandlung durch zugelassene Vertragsärzte zu beschränken (vgl BSG vom 10.5.1995 - 1 RK 14/94 = SozR 3-2500 § 13 Nr 7).
3. Das europäische Recht wird durch § 2 Abs 2 iVm § 13 SGB 5 nicht verletzt.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der 1944 geborenen Klägerin DM 6.299,17 zu erstatten hat, die diese für eine stationäre Behandlung in der Privatklinik Dres. C. Fachklinik für Neuro-Chirurgie-Orthopädie GmbH (Privatklinik) in S. in der Zeit vom 02. Juni 1997 bis 11. Juni 1997 aufgewendet hat.
Die Klägerin begab sich Anfang Mai 1997 wegen akut aufgetretener Schmerzen in der linken Leiste bei Dr. C. in ärztliche Behandlung. Dieser diagnostizierte am 15. Mai 1997 eine Leistenhernie links und riet der Klägerin zur Operation (Schreiben vom 26. Mai 1997). Die Klägerin wandte sich hierauf an die Deutsche Krankenversicherung (DKV), um von ihrer privaten Zusatzversicherung eine Kostenzusage einzuholen. Die DKV sagte der Klägerin die Kostenübernahme zu. Am 02. Juni 1997 wurde die Klägerin stationär in die Privatklinik aufgenommen und operiert. Sie befand sich dort bis 11. Juni 1997 in stationärer Behandlung.
Nach ihrer Entlassung aus der Privatklinik beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die entstandenen Kosten zu übernehmen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01. Juli 1997 und auf den erneuten Antrag der Klägerin, mit dem sie auch die Rechnungen für die stationäre Unterbringung und die ärztlichen Leistungen vorlegte, erneut mit Bescheid vom 13. August 1997 ab. Zur Begründung führte sie aus, daß die Klägerin eine nicht zugelassene Privatklinik in Anspruch genommenen habe. Sie habe aber nur Anspruch auf Krankenhausbehandlung in einem zugelassenen Krankenhaus. Eine Erstattung der entstandenen Kosten könne nicht erfolgen. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, daß ambulante und stationäre Behandlungen durch Dr. C., zuletzt in der S.-v.-F.-Klinik in S., immer bezahlt worden seien. Zu diesem Arzt habe sie ein besonderes Vertrauen, das für den Heilungsprozeß vorteilhaft sei. Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des operativen Eingriffs sei eine vorherige Antragstellung nicht möglich gewesen. Die Kostenerstattung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte die Kosten bei Durchführung des Eingriffs in einem Vertragskrankenhaus ohnehin zu tragen gehabt hätte.
Der Widerspruchsausschuß II der Beklagten wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 20. November 1997 als unbegründet zurück. Die Übernahme der Kosten für die stationäre Behandlung durch Dr. C. in der S.-v.-F.-Klinik sei erfolgt, weil es sich bei diesem Krankenhaus um ein Vertragskrankenhaus handele. Der Arzt besitze auch eine Kassenzulassung für ambulante Behandlungen. Bei der stationären Behandlung, für die die Klägerin nunmehr Kostenerstattung geltend mache, seien diese Voraussetzungen nicht gegeben. Eine Kostenerstattung. scheide aber auch deshalb aus, weil sich die Klägerin vor Durchführung der stationären Behandlung nicht mit ihr in Verbindung gesetzt habe.
Mit der am 29. Dezember 1997 beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Zwischen der in Anspruch genommenen Privatklinik und verschiedenen Krankenkassen seien Verhandlungen über die Zulassung im Gange. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, wenn zwischen den Beteiligten noch keine Vereinbarung erzielt worden sei. Auch Dr. C. habe ihr gegenüber die Auffassung vertreten, daß es mit der Kostenerstattung keine Probleme geben dürfte. Im übrigen habe sie wegen der Eilbedürftigkeit der Operation eine abschließende Entscheidung der Beklagten nicht abwarten können.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie hielt an ihrer Rechtsauffassung fest.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Mai 1998 abgewiesen. Gemäß § 2 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) erhielten Versicherte Leistungen als Sach- und Dienstleistung, soweit nichts anderes bestimmt sei. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB V komme Kostenerstattung nur ausnahmsweise in Betracht. Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten der stationären Behandlung in der Privatklinik komme lediglich § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien jedoch nicht erfüllt. Weder habe die Klägerin eine unaufschiebbare Leistung im Sinne einer Notfallbehandlung in Anspruch genommen, noch habe die Beklagte die Bereitstellung einer Sachleistung zu Unrecht verweige...