Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Abwicklung ergangener Verwaltungsakte. Verfassungsmäßigkeit. Anhörung

 

Orientierungssatz

1. § 239 S 2 AFG ist auf die Fälle der Zahlung unter Vorbehalt bzw die Fälle nicht bindend gewordener Erstattungsbescheide nicht entsprechend anwendbar und verstößt in der hier gefundenen Auslegung nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

2. § 239 S 1 setzt nicht die bloße Rechtswidrigkeit der Erstattungsbescheide voraus, sondern stellt auf das Nichtvorliegen der Erstattungspflicht ab. Ein eventueller Anhörungsmangel und die damit verbundene formelle Rechtswidrigkeit der Erstattungsbescheide könnten somit den Rücknahmeanspruch nach dieser Vorschrift nicht begründen. Dies gilt auch für § 44 SGB 10, der nicht zur Korrektur von Verstößen gegen die Anhörungspflicht dient.

 

Tatbestand

Streitig ist noch die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und von der Beklagten getragener Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung für die Zeit vom 22.11.1984 bis 30.04.1985 im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit des ... 1924 geborenen, ledigen J G (G.).

G. war seit März 1971 bei der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Packer. Das Arbeitsverhältnis, für das die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber tarifvertraglich ausgeschlossen war, endete durch Auflösungsvertrag vom 19.08.1983 zum 31.03.1984 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 13.884,80 DM. Im Zeitpunkt des Ausscheidens war zuletzt für Februar 1983 das Arbeitsentgelt abgerechnet worden. G. hatte im Februar 1983 bei 17 gearbeiteten Tagen mit 138,83 Arbeitsstunden ein Bruttoarbeitsentgelt von 1.906,90 DM und im Januar 1983 bei 19 Arbeitstagen und 154,34 geleisteten Arbeitsstunden ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.115,75 DM erzielt. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden.

G. meldete sich am 30.04.1984 in der Dienststelle F arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Zu diesem Zeitpunkt war -- wie schon zu Jahresbeginn und in der Folgezeit -- die Steuerklasse I auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragen. Einschränkungen hinsichtlich seiner Vermittlungsfähigkeit, auch aus gesundheitlichen Gründen, verneinte G. ebenso wie die Frage, ob er arbeitsunfähig krank geschrieben sei. Das Arbeitsamt R bewilligte -- ausgehend vom Ruhen des Anspruchs wegen der Abfindung bis 09.06.1984 und dem Eintritt einer Sperrzeit vom 01.04. bis 26.05.1984 mit einer Minderung der Anspruchsdauer von 48 Tagen -- Alg ab dem 11.06.1984 für 264 Tage nach einem Bemessungsentgelt von 550,00 DM in Höhe von wöchentlich 227,40 DM. Das Arbeitsamt R stellte die Zahlungen mit Ablauf des 31.10.1984 ein, weil G umgezogen war. Als Umzugszeitpunkt hatte G. den Oktober 1984 genannt, tatsächlich aber war er bereits im Juni 1984 umgezogen. Das für den neuen Wohnort zuständige Arbeitsamt bewilligte entsprechend der Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 22.11.1984 -- auch hier verneinte G. gesundheitliche Einschränkungen oder Arbeitsunfähigkeit -- ab diesem Zeitpunkt Alg in Höhe des bisherigen Leistungssatzes. Ab dem 01.01.1985 erhielt B. einen wöchentlichen Leistungssatz aufgrund der ab diesem Zeitpunkt geltenden neue Leistungsverordnung in Höhe von 228,00 DM. Zugleich wurde die Anspruchsdauer um 156 Tage erhöht (§ 242d des Arbeitsförderungsgesetzes -- AFG --). Aufgrund einer entsprechenden Dynamisierung des Bemessungsentgeltes auf 570,00 DM erhöhte sich der Leistungssatz mit Wirkung ab dem 01.03.1985 auf 234,60 DM. Diese Leistung bezog G. bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit Ablauf des 02.11.1985. Da er jedoch von der LVA S rückwirkend ab dem 01.05.1985 Altersruhegeld (ARG) wegen Arbeitslosigkeit aufgrund eines Versicherungsfalles vom 20.04.1985 erhielt, hob die Beklagte ihre Leistungsbewilligung mit Wirkung ab dem 01.05.1985 auf und machte gegenüber der LVA S einen Erstattungsanspruch geltend, den diese in voller Höhe (6.256,00 DM für die Zeit vom 01.05. bis 02.11.1985) erfüllte. Für ihre Leistungszeiträume trug die Beklagte die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Betriebskrankenkasse der Klägerin (Beitragssatz 9,5%, ab 01.10.1984 9,0%). Die LVA S war bei der Ermittlung des Versicherungsfalles "Altersrente wegen Arbeitslosigkeit" von Arbeitslosigkeit im Zeitraum vom 01.04.1984 bis 30.10.1984 und ab 22.11.1984. nicht aber für die Zeit vom 01.11.1984 bis 21.11.1984 ausgegangen, weil G. in diesem Zeitraum nicht arbeitslos gemeldet war.

Nach einer allgemeinen Anhörung mit Schreiben vom 09.01.1985 -- zur näheren Feststellung des Inhalts wird auf Bl. 22 der Leistungsakte Bezug genommen -- erging gegenüber der Klägerin der Bescheid des Arbeitsamtes K vom 27.03.1985, in dem die Beklagte ausführte, daß die Klägerin vierteljährlich das Alg einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu erstatten habe und mit dem sie für die Zeit vom 11.06.1984 bis 31.10.1984 und 22.11.1984 bis 31.12.1984 Aufwendungen in Höhe von insgesamt 8.390,39 DM erstattet verlangte. Dem Bescheid beigefügt war ein Berechnungsb...

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