Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. geringfügige Beschäftigung. Zeitgeringfügigkeit. keine Regelmäßigkeit der Beschäftigung bei zeitlich unregelmäßig und unvorhersehbaren Arbeitseinsätzen mit schwankender Einsatzdauer und Einsatzhäufigkeit. keine berufsmäßige Tätigkeit von Beziehern einer vollen Alters- oder Erwerbsminderungsrente. Arbeitsvertragliche Begrenzung auf unter 50 Arbeitstage pro Jahr
Leitsatz (amtlich)
Das Merkmal der Regelmäßigkeit der Beschäftigung iS von § 8 Abs 1 Nr 1 SGB 4 liegt nicht vor, wenn zwar zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem (konkret: in einem Reinigungsbetrieb) Einigkeit darüber besteht, dass über das Jahr hinweg bei Bedarf mehrere Arbeitseinsätze erfolgen sollen, die einzelnen Arbeitseinsätze jedoch zeitlich unregelmäßig und unvorhersehbar infolge entweder personell oder saisonal unerwarteten Arbeitskräftemangels erfolgen und sowohl die jeweilige Einsatzdauer als auch die Einsatzhäufigkeit im Laufe der Jahre schwanken.
Orientierungssatz
Als Personengruppen, die nicht berufsmäßig tätig werden, kommen nur solche in Betracht, die nach ihrer Lebensstellung in der Regel keine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben pflegen. Der Beschäftigte darf seinen Lebensunterhalt nicht überwiegend oder doch in einem solchen Umfang erwerben, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Beschäftigung oder Tätigkeit beruht (vgl BSG vom 30.11.1978 - 12 RK 32/77 = SozR 2200 § 168 Nr 3). Zu den nicht berufsmäßig Tätigen gehören daher im Regelfall auch die Bezieher einer vollen Alters- oder Erwerbsminderungsrente, weil sie im Grundsatz bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.
Normenkette
SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 2; SGB III § 27 Abs. 2 S. 1; SGB V § 7 Abs. 1; SGB VI § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Mai 2011 wird aufgehoben, und der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. September 2009 und des Ausführungsbescheides vom 29. September 2009 wird insoweit aufgehoben, als darin Gesamtsozialversicherungsbeiträge zuzüglich Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz in Höhe von mehr als € 143,86 nachgefordert wurden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf € 6.737,15 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuzüglich Umlagen nach dem bis 31. Dezember 2005 geltenden Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) mit der Begründung fehlender Kurzzeitigkeit zweier bei ihr Beschäftigter; streitig ist Betrag in Höhe von € 6.737,15.
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt ein Reinigungsunternehmen mit im streitigen Zeitraum vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005 13 bis 14 Filialen. Nach eigenen Angaben beschäftigte sie insgesamt etwa 90 Mitarbeiter. Die Beigeladenen zu 1) und zu 2), die im streitigen Zeitraum Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen, waren im streitgegenständlichen Zeitraum im Betrieb der Klägerin nach den von der Klägerin in der Anhörung vorgelegten Aufzeichnungen über Arbeitstage und Arbeitsstunden wie folgt beschäftigt:
Der Beigeladene zu 1) im Jahr 2003 in insgesamt sechs Monaten (im März 2003 mit sechs Arbeitstagen, im Mai 2003 mit vier Arbeitstagen, im Juni 2003 mit fünf Arbeitstagen, im August 2003 mit acht Arbeitstagen, im September 2003 mit fünf Arbeitstagen, im Dezember 2003 mit elf Arbeitstagen), im Jahr 2004 in insgesamt acht Monaten (im Februar 2004 mit vier Arbeitstagen, im März 2004 mit vier Arbeitstagen, im April 2004 mit fünf Arbeitstagen, im Mai 2004 mit vier Arbeitstagen, im August 2004 mit elf Arbeitstagen, im September 2004 mit drei Arbeitstagen, im Oktober 2004 mit vier Arbeitstagen und im November 2004 mit vier Arbeitstagen) sowie im Jahr 2005 in insgesamt sechs Monaten (im Februar 2005 mit zehn Arbeitstagen, im März 2005 mit sechs Arbeitstagen, im April 2005 mit sechs Arbeitstagen, im Mai 2005 mit zwei Arbeitstagen, im August 2005 mit 13 Arbeitstagen und im November 2005 mit sechs Arbeitstagen).
Die Beigeladene zu 2) 2003 in insgesamt sieben Monaten (im März 2003 mit drei Arbeitstagen, im April 2003 mit vier Arbeitstagen, im Mai 2003 mit fünf Arbeitstagen, im Juni 2003 mit vier Arbeitstagen, im September 2003 mit sechs Arbeitstagen, im November 2003 mit elf Arbeitstagen und im Dezember 2003 mit fünf Arbeitstagen), im Jahr 2004 in neun Monaten (im Januar 2004 mit sechs Arbeitstagen, im Februar 2004 mit sechs Arbeitstagen, im März 2004 mit vier Arbeitstagen, im April 2004 mit vier Arbeitstagen, im Mai 2004 mit fünf Arbeitstagen, im Juli 2004 mit drei Arbeitstagen, im August 2004 mit zwei Arbeitstagen, im September 2004 mit fünf Arbeitstagen und im November 2004 mit sieben Arbeitstagen) und im Jahr 200...