Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ermächtigung nur für Krankenhausärzte. Minderversorgung durch niedergelassene Ärzte. Bedarfsprüfung durch Zulassungsgremien. Beurteilungsspielraum. qualitativ-spezieller Bedarf
Orientierungssatz
1. Die Ermächtigung nach § 116 SGB 5 iVm § 31a Abs 1 Ärzte-ZV ist nach dem unmissverständlichen Wortlaut nur für Krankenhausärzte möglich.
2. Eine Ermächtigung von Krankenhausärzten, die ausschließlich dazu dient, Versorgungslücken zu schließen, kommt nur bei einer Minderversorgung der Versicherten in Betracht (vgl BSG vom 27.2.1992 - 6 RKa 15/91 = BSGE 70, 167, 173 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2). Dieser Vorrang ist auch durch die Neuregelung der §§ 115a und 115b SGB 5 unberührt geblieben (vgl BSG vom 14.7.1993 - 6 RKa 71/91 = BSGE 73, 25 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4).
3. Im Rahmen der Bedarfsprüfung steht den Zulassungsgremien ein vom Gericht nur beschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
4. Allein der Umstand, dass besondere Erfahrungen und Kenntnisse im Zusammenhang mit der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen bei Sexualstraftätern (zB noch die notwendige Beiziehung von Strafakten einschließlich deren Studium,...) geltend gemacht werden, kann keinen qualitativen Versorgungsbedarf begründen.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Ermächtigung zur Teilnahme an der psychotherapeutischen ambulanten Versorgung ehemaliger Sexualstraftäter.
Dem 1952 geborenen Kläger wurde am 4. Januar 1999 die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut erteilt (Bl. 5 Verwaltungsakte - VA-) und am 21. September 2000 wurde er in das Psychotherapeutenregister eingetragen (Bl. 9 VA). Derzeit ist er als Fachbereichsleiter der psychotherapeutischen Ambulanz im Verein Bewährungshilfe e. V. in S. tätig.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2001 (Bl. 12 VA) beantragte der Kläger die Ermächtigung zur Teilnahme an der psychotherapeutischen ambulanten Versorgung ehemaliger Sexualstraftäter. Zur Begründung führte er aus, dass eine ausreichende ambulante psychotherapeutische Versorgung von Sexualstraftätern derzeit nicht gewährleistet sei, sodass zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrages die persönliche Ermächtigung eines für die Behandlung qualifizierten Leistungserbringers erforderlich sei. Nach § 31 Abs. 1 b Ärzte-ZV könnten über den Kreis der zugelassenen Leistungserbringer hinaus weitere Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden, sofern dies notwendig sei, um einen begrenzten Personenkreis zu versorgen. Vorliegend handele es sich ausschließlich um Sexualstraftäter, für die die notwendige ambulante psychotherapeutische Versorgung nach ihrer Entlassung aus dem Strafvollzug nicht, wie während ihres Aufenthalts im Justiz- oder Maßregelvollzug, zur Verfügung stehe. Sexualstraftäter, die nach einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug vom System der Sozialversicherung erfasst würden, fänden bei den bislang zur Verfügung stehenden Leistungserbringern für psychotherapeutische Behandlung im Großraum S. keine adäquate Hilfe. Der Umgang mit diesen Personen erfordere eine besondere Tätigkeitsausrichtung und Qualifikation, sowie besondere Erfahrung im Umgang mit den bestehenden Problemen dieser Persongruppe, um die Motivation für eine der Problematik angemessene Therapie wecken zu können. Er verfüge über die fachlichen Voraussetzungen und habe weit reichende Vorerfahrung in der ambulanten Behandlung von psychisch gestörten Persönlichkeiten. Er arbeite verantwortlich in der psychotherapeutischen Ambulanz für straffällig gewordene Sexualstraftäter des Vereins für Bewährungshilfe S. e. V. mit.
Mit Beschluss vom 14. November 2001 (Bescheid 1. März 2002) lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte den Antrag des Klägers ab (Bl. 46/48 VA). Zur Begründung führte er aus, durch die Rechtsprechung seien drei Ermächtigungsformen entwickelt worden. Im vorliegenden Fall sei eine Bedarfsermächtigung nach § 116 SGB V i. V. m. § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV einschlägig. Diese setze eine Lücke in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung voraus. Eine solche Lücke habe jedoch vom Zulassungsausschuss nicht festgestellt werden können. Für den Planungsbereich Stadtkreis S. und die Gruppe der Psychotherapeuten sei ein Versorgungsgrad von 124,1 % festgestellt worden (Stand 18. Juli 2001 - s. auch Auszug aus dem Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 24. Oktober 2001 mit einem Versorgungsgrad von 124, 6 % - Bl. 26 VA-). Es sei nicht ersichtlich, dass trotz dieses exorbitant hohen Versorgungsverhältnisses eine Versorgungslücke aus quantitativ-allgemeinen Gründen bestehe. Die Leistungen, die der Kläger im Rahmen seiner Ermächtigung zu erbringen begehre, würden von einer Vielzahl von im Planungsbereich niedergelassenen Psychotherapeuten erbracht und abgerechnet. Der Zulassungsausschuss könne eine Ermächtigung nur zur Erbringung kurativer Leistungen aussprechen. Der Zulassungsausschuss sei nicht davon überzeugt, dass niedergelassene Vertragsärzt...