Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. einheitlicher Bewertungsmaßstab. wortlautbezogene Auslegung von vertragsärztlichen Vergütungsbestimmungen. Nichtvorliegen einer totalen Meniskusresektion im gebührenrechtlichen Sinn

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vertragsärztliche Vergütungsbestimmungen des EBM (juris: EBM-Ä 2005 bzw EBM-Ä 2008) (einschließlich in Bezug genommener OPS-Nrn des DIMDI) sind streng wortlautbezogen auszulegen. Auf Fragen der Medizin kommt es grundsätzlich nicht an. Wegen der alleinigen Maßgeblichkeit juristischer Auslegungsmethoden tritt die medizinische Beurteilung in den Hintergrund; im Streit um sachlich-rechnerische Richtigstellungen ist daher kein Raum für die Erhebung von (medizinischen) Gutachten (vgl BSG vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B und vom 10.3.2004 - B 6 KA 118/03 B).

2. Die Begriffe (Meniskusresektion) "total" bzw "partiell" in den OPS-Nrn 5-812.6 bzw 5-812.5 sind (organ-)substanzbezogen und nicht (organ-)funktionsbezogen zu verstehen. Eine totale Meniskusresektion (im gebührenrechtlichen Sinn) liegt nicht vor, wenn ohne vollständige Entfernung der Meniskussubstanz nur die Meniskusfunktion vollständig aufgehoben wird.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.12.2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, für das Berufungsverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 46.316,87 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung verfügte Honorarkürzung für die Quartale 2/2006 bis 2/2008.

Der während des Berufungsverfahrens am 28.11.2013 verstorbene Kläger (im Folgenden Arzt) - dessen Rechtsnachfolgerin den Rechtsstreit fortführt - nahm als Facharzt für Orthopädie mit Sitz in R. an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Im Jahr 2007 überprüfte der bei der Bezirksdirektion R. der Beklagten eingerichtete Plausibilitätsausschuss die vom Arzt im Quartal 2/2006 für endoskopisch-arthroskopische Eingriffe am Meniskus (im Folgenden: Meniskusresektion) abgerechneten Leistungen wegen Auffälligkeiten in der Tagesarbeitszeit. Für Meniskusresektionen sind - soweit hier von Belang - folgende Regelungen des vertragsärztlichen Vergütungsrechts (Gebührennummern - GNR - des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen - EBM) maßgeblich:

EBM Fassung (ab 01.04.2005) bis Quartal 1/2007:

GNR 31142 Endoskopischer Gelenkeingriff (Arthroskopie) der Kategorie E 2

Obligater Leistungsinhalt

- Chirurgischer Eingriff der Kategorie E 2 entsprechend Anhang 2

Fakultativer Leistungsinhalt

- Ein postoperativer Arzt-Patienten-Kontakt

Bewertung: 5380 Punkte

GNR 31143 Endoskopischer Gelenkeingriff (Arthroskopie) der Kategorie E 3

Obligater Leistungsinhalt

- Chirurgischer Eingriff der Kategorie E 3 entsprechend Anhang 2

Fakultativer Leistungsinhalt

- Ein postoperativer Arzt-Patienten-Kontakt

Bewertung: 7580 Punkte

EBM Fassung ab Quartal 2/2007 bis 2/2008:

GNR 36142 Endoskopischer Gelenkeingriff (Arthroskopie) der Kategorie E 2

Obligater Leistungsinhalt

- Chirurgischer Eingriff der Kategorie E 2 entsprechend Anhang 2

Bewertung: 3305 Punkte

GNR 36143 Endoskopischer Gelenkeingriff (Arthroskopie) der Kategorie E 3

Obligater Leistungsinhalt

- Chirurgischer Eingriff der Kategorie E 3 entsprechend Anhang 2

Bewertung: 4955 Punkte

Der in den genannten GNRn des EBM bezeichnete Anhang 2 betrifft die Zuordnung der arthroskopischen Eingriffe zu dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) für Operationen herausgegebenen Schlüssel für Operationen und sonstige medizinische Prozeduren - OPS - (vgl. § 295 Abs. 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch ≪SGB≫ Fünftes Buch, SGB V). Die hier einschlägigen OPS-Nrn. haben folgenden Wortlaut:

OPS-Nr. 5-812.5: Arthroskopische Operation am Gelenkknorpel und an den Menisken: Meniskusresektion partiell„.

Der Eingriff ist der Kategorie E 2 zugeordnet, wofür eine Schnitt-Naht-Zeit von 15 bis 30 Minuten vorgesehen ist.

OPS-Nr. 5-812.6: “Arthroskopische Operation am Gelenkknorpel und an den Menisken: Meniskusresektion total„.

Der Eingriff ist der Kategorie E 3 zugeordnet, wofür eine Schnitt-Naht-Zeit von 30 bis 45 Minuten vorgesehen ist.

Mit Schreiben vom 19.06.2007 erläuterte der Arzt sein Abrechnungsverhalten bei Meniskusresektionen. Für Meniskusresektionen setze er meist die im EBM für die totale Meniskusresektion vorgesehene GNR an. Eine “totale„ Meniskektomie im “anatomischen Sinne„ führe allerdings kein Arzt durch, da in diesem Fall der fest mit der Kapsel verwachsene Innenmeniskus mitsamt Kapsel und Innenbandteilen entfernt werden müsste. Vielmehr bleibe immer ein circulärer Ring übrig, weshalb das Resultat des Eingriffs einer (anatomisch) “totalen„ Meniskusresektion (eigentlich) nicht entspreche. Mit der GNR des EBM für die totale Meniskusresektion könne daher nur die “funktionell komplette„ Meniskusresektion gemeint sein un...

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