Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Bedarfsgemeinschaft. eheähnliche Gemeinschaft. befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld. mehrere Bezieher von Arbeitslosengeld nach SGB 3. Berechnung des Unterschiedsbetrages. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung der Höhe des Zuschlags nach § 24 Abs. 1 SGB II ist eine Gesamtdifferenzberechnung in der Weise vorzunehmen, dass die früheren Alg-Ansprüche der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu addieren und dann der Summe der Alg II-Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen sind.
Die Aufteilung der so ermittelten Gesamtdifferenz auf die Mitglieder wird anteilig vorgenommen und zwar nach dem Verhältnis, in dem die früheren Alg-Ansprüche zueinander standen.
Orientierungssatz
1. Zu ausreichenden Anhaltspunkten für die eheähnliche Gemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB 2.
2. Bei der Berechnung des befristeten Zuschlags nach § 24 Abs 2 SGB 2 ist eine Gesamtdifferenzberechnung in der Weise vorzunehmen, dass die Arbeitslosengeldansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft addiert und dann dem Gesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft gegenüber gestellt werden; eine streng nach dem Wortlaut der Regelung für jeden einzelnen Berechtigten berechnete Differenz aus bezogenem Arbeitslosengeld und dem Gesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft erfolgt nicht.
3. Bei der streng nach dem Wortlaut der Regelung des § 24 Abs 2 SGB 2 berechneten Differenz für jeden einzelnen Berechtigten erscheint die Ungleichbehandlung von Ehen und Familien (Art 3 und 6 GG) verfassungsrechtlich problematisch; diese kann sich je nach Ausgestaltung der Familienrollen ergeben.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2006 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2005 verurteilt, der Klägerin einen Zuschlag gemäß § 24 SGB II in Höhe von 95,00 € monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2005 zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin die Regelleistung für eine alleinstehende Person zusteht sowie über die Gewährung eines befristeten Zuschlags nach § 24 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2005.
Die Klägerin und Herr D. (im Folgenden: D.) leben seit August 2003 gemeinsam in einer Wohnung in K.. Die Klägerin bezog bis 24. Juni 2004 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 194,95 € wöchentlich, D. bezog bis 15. Februar 2004 Alg in Höhe von 149,66 € wöchentlich.
Am 30. September 2004 beantragte die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Im Antragsformular gab sie als Partner D. an, ergänzte jedoch handschriftlich, die eheähnliche Gemeinschaft bestehe erst seit August 2003, also noch keine drei Jahre. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 gewährte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Bedarfsgemeinschaft bestehend aus der Klägerin und D. für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 in Höhe von 796,39 € monatlich. Hierbei wurde jeweils die Regelleistung in Höhe von 311,00 €, ein Teil der Nebenkosten der Miete und für die Klägerin ein Zuschlag Alg in Höhe von 98,00 € berücksichtigt. Die Klägerin und D. erhoben Widerspruch und wandten sich u.a. dagegen, dass die Miete nicht berücksichtigt worden sei und die Zuschläge nicht richtig errechnet seien. Mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2005 bewilligte der Beklagte für Januar bis März 2005 Leistungen in Höhe von 1.219,00 € monatlich. Hierbei wurde neben der Regelleistung bei den Kosten der Unterkunft die volle Miete in Höhe von 510,00 €, Nebenkosten in Höhe von 60,00 € sowie die tatsächlichen Heizkosten abzüglich eines Warmwasseranteils berücksichtigt. Einkommen wurde im maßgeblichen Zeitraum weder von der Klägerin noch von D. erzielt. Gegen den Änderungsbescheid erhoben die Klägerin und D. erneut Widerspruch. Zu dem Punkt eheähnliche Gemeinschaft wurde in diesem Widerspruch ausgeführt, dass die Anrechnung willkürlich sei. Es werde die gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass eine Unterstützung vom Partner der eheähnlichen Gemeinschaft erfolge. Im Gegensatz zu einer Ehe bestehe jedoch kein rechtlich durchsetzbarer Unterhaltsanspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2005 wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Der Zuschlag betrage gemäß § 24 Abs. 2 SGB II zwei Drittel des Unterschiedsbetrages zwischen 1. dem von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuletzt bezogenen Alg und dem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und 2. dem an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen z...