Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Schadensersatzanspruchshöhe für zerstörte Brille. keine Begrenzung auf Festbetragsregelung der Krankenversicherung. Verfassungsmäßigkeit. Gleichheitssatz
Leitsatz (amtlich)
Der Schadensersatzanspruch gegen den Unfallversicherungsträger für ein bei einem Arbeitsunfall beschädigtes bzw verloren gegangenes Hilfsmittel wird der Höhe nach nicht durch Festbetragsregelungen der Krankenversicherung begrenzt.
Orientierungssatz
Ein systematischer Widerspruch in der Behandlung von Unfallfolgen eines Gesundheitsschadens an den Augen und einer bei einem Unfall geschädigten Brille besteht nicht. Auch Art 3 GG gebietet keine solche Gleichbehandlung. Denn mit der Unterscheidung zwischen Vermögens- und Gesundheitsschaden besteht ein sachlich zutreffendes Differenzierungsmerkmal, weshalb die Sachverhalte nicht gleich sind und eine Gleichbehandlung rechtlich nicht geboten ist.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Schadensersatz in vollem Umfang für eine zerstörte Brille von der Beklagten verlangen kann.
Der ... 1942 geborene Kläger erlitt bei seiner Tätigkeit als Kraftfahrer am 17.05.1999 einen Arbeitsunfall, als ihm von der Ladefläche des Aufliegers seines LKWs ein Faß ins Gesicht fiel. Dabei zog er sich einen Nasenbeinbruch zu und die von ihm getragene Brille wurde zerstört.
Mit Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 02.06.1999 wurde der Beklagten der Unfall gemeldet. Der Kläger legte der Beklagten eine Rechnung der Firma "Optik V" M vom 02.07.1998 vor über den Kauf der beim Unfall zerstörten Brille in Höhe von 1.483,-- DM. Darin waren je Glas berechnet : für Gläser DM 405,50, für Veredelung DM 128,50, für Dickenreduktion DM 60,--, für Refraktion DM 7,50 und für die Brillenfassung DM 280,--. Für die neu angeschaffte Brille, für die der Kläger Ersatz von der Beklagten begehrte, legte er die Rechnung der Fa. V Optik vom 27.06.1999 vor, die einen Gesamtbetrag über DM 1.689,-- auswies. Darin waren berechnet pro Glas DM 406,--, Dickenreduktion DM 65,--, Entspiegelung DM 133,50, Refraktion DM 7,50 und Brillenfassung DM 465,--. Der in beiden Rechnungen ausgewiesene Anteil der Krankenkasse betrug DM 215,--. Die Beklagte überwies der Krankenkasse des Klägers DM 215,-- und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23.07.1999 mit, er erhalte als Kostenersatz DM 200,--. Eine Kostenerstattung für die Gläser entfalle, da der Optiker den gesetzlichen Anteil bereits mit der Krankenkasse abgerechnet habe.
Mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 17.08. und 15.09.1999 begehrte der Kläger Ersatz für die von ihm aufgewendeten DM 1.689,--, denn ihm sei der volle Schaden zu ersetzen. Bei Abzug der bereits erbrachten Leistung sei ein Restbetrag in Höhe von DM 1.489,-- auszugleichen. Er verweise auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen (Az. S 10 U 71/98), das einen Kostenersatz für eine beschädigte Brille in voller Höhe zugesprochen habe. Fürsorglich lege er Widerspruch ein gegen das Schreiben der Beklagten vom 23.07.1999. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei der Erneuerung eines Hilfsmittels im Sinne des § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sei nicht zwingend die Naturalrestitution im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts gemeint. Dem Charakter der Unfallversicherung entsprechend stehe die Wiederherstellung der Körperfunktion "Sehen" im Vordergrund. Daher könne unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach den für die Berufsgenossenschaften geltenden Richtlinien nur Ersatz in Höhe eines Festbetrags bzw. Pauschbetrags für das Brillengestell gewährt werden.
Der Kläger erhob am 19.11.1999 beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage mit der Begründung, nach der gesetzlichen Regelung der §§ 8 Abs. 3, 27 Abs. 2 SGB VII werde Naturalrestitution geschuldet, daher sei eine Beschränkung auf Pauschalbeträge nicht zulässig. § 31 Abs. 1 SGB VII beziehe sich nur auf Hilfsmittel, mit denen Versicherte nach einem Arbeitsunfall im Rahmen der Heilbehandlung ausgestattet werden. In § 8 Abs. 3 SGB VII verweise der Gesetzgeber nicht auf § 31 SGB VII. Die Schlechterstellung von Opfern von Arbeitsunfällen mit solchen privater Unfälle sei sachlich nicht gerechtfertigt. Im übrigen habe die Krankenkasse keine Zahlung geleistet. Die zerstörte Brille sei praktisch neuwertig gewesen. Die Beklagte verwies auf die Richtlinien des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. (HVBG) vom 19.11.1992 und vom 16.10.1997 sowie auf das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 01.02.2000 (L 3 U 164/99).
Mit Bescheid vom 01.12.1999 änderte sie die angefochtenen Bescheide dahingehend ab, daß ein weiterer Betrag in Höhe von DM 215,--, der dem Krankenkassenanteil für Gläser- und Refraktionsanteil entsprach, gewährt wurde. In der mündlichen Verhandlung am 14.03.2000 gab die Beklagte ein weiteres Teilanerkenntnis über DM 11,-- ab, das der Kläger annahm.
Mit Urteil vom 14.03.2000 wies ...