Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. Dreijahreszeitraum des § 48 Abs 1 SGB 5 als Blockfrist. eigene Blockfrist bei neuer und eigenständiger Erkrankung. Hypertonie
Leitsatz (amtlich)
1. Der Dreijahreszeitraum des § 48 Abs 1 SGB V wird nach dem Grundsatz der starren Rahmenfrist (Blockfrist) bestimmt. Der erstmalige Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit setzt eine Kette unmittelbar aufeinander folgender Dreijahreszeiträume in Gang, innerhalb derer - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - jeweils bis zu 78 Wochen Krankengeld gewährt werden kann (st Rspr zB BSG vom 21.6.2011 - B 1 KR 15/10 R = SozR 4-2500 § 48 Nr 4).
2. Tritt innerhalb eines solchen Dreijahreszeitraums eine neue und eigenständige Erkrankung auf, wird für diese Erkrankung eine eigene Blockfrist gebildet. Eine Hypertonie ist kein Grundleiden, welches dazu zwingt, eine (zuerst aufgetretene und wieder abgeheilte) kardiale Dekompensation und eine (später festgestellte) koronare Drei-Gefäß-Erkrankung als dieselbe Krankheit iSd § 48 Abs 1 S 1 SGB V zu werten.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.09.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit ab 01.07.2018 streitig.
Der 1958 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Er war als Informatiker versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem er durch die Beklagte zum 30.06.2018 ausgesteuert worden war, bezog er Arbeitslosengeld. Seit März 2020 steht er im Bezug einer Altersrente.
In der Zeit vom 26.12.2014 bis 06.03.2015 war der Kläger arbeitsunfähig und bezog Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch seinen Arbeitgeber sowie Krankengeld durch die Beklagte. Er wurde am 26.12.2014 in die Klinik für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie des D-Klinikums S wegen einer globalen kardialen Dekompensation aufgenommen. Dort wurden ua ein etwas dilatierter, konzentrisch hypertrophierter linker Ventrikel mit höchstgradig eingeschränkter LVEF (ca. 18%) bei diffuser Hypokinese, eine normal weite Aortenwurzel, keine relevante Stenose der Aortenklappe trikuspide, keine relevante Insuffizienz, eine sklerosierte Mitralklappe, eine leicht- bis mittelgradige Insuffizienz, eine diastolische Funktionsstörung II. Grades und eine Trikuspidalklappe mit leichtgradiger Insuffizienz festgestellt. Klinisch habe sich das Bild einer globalen kardialen Dekompensation gezeigt. Der J ging in dem Entlassbericht vom 05.01.2015 „am ehesten von einer hypertensiven Herzerkrankung bei schwer einstellbarem Hypertonus“ aus. Zum Ausschluss einer ischämischen Kardiomyopathie wurde dem Kläger eine Koronarangiographie empfohlen, die dieser jedoch ablehnte. Der B berichtete unter dem 23.02.2015 ua über eine normal weite Aortenwurzel, einen normal großen linken Vorhof und linken Ventrikel, eine deutlich hypertrophierte Wand des linken Ventrikels, eine systolische linksventrikuläre Funktion mit 46% mittelstark eingeschränkt, eine unauffällige Mitralklappe, eine Aortenklappe ohne Insuffizienz, keine Stenose, einen normalen Befund am rechten Herzen sowie eine Trikuspidalklappe ohne Insuffizienz. Er sah keinen Anhalt für eine pulmonale Hypertonie sowie die vormals als schwerstgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion ungewöhnlich rasch gebessert, aktuell nur noch mäßig, allenfalls mittelstark reduziert. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde dem Kläger Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen I11.90 (hypertensive Herzkrankheit ohne (kongestive) Herzinsuffizienz: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise), I10.90 (essenzielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise) und I51.9 (Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet) bescheinigt.
Vom 02.11.2015 bis 20.11.2015 war der Kläger wegen der Diagnosen K40.9 (Hernia inguinalis, einseitig oder ohne Seitenangabe, ohne Einklemmung und ohne Gangrän: Nicht als Rezidivhernie bezeichnet), J434.99 (chronische obstruktive Lungenkrankheit, nicht näher bezeichnet), I10.90 (essenzielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise), I50.12 (Linksherzinsuffizienz: Mit Beschwerden bei stärkerer Belastung), Z92.2 (Dauertherapie (gegenwärtig) mit anderen Arzneimitteln in der Eigenanamnese) arbeitsunfähig. Wegen der Leistenhernie wurde der Kläger vom 02.11.2015 bis 03.11.2015 im Klinikum L stationär behandelt.
In der Zeit vom 01.01.2017 bis 05.01.2017 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung im D-Klinikum S. Dort wurden die Diagnosen NSTEMI (Nicht-ST-Hebungsinfarkt) bei koronarer Drei-Gefäß-Erkrankung (Koronarangiographie vom 01.01.2017: Bypassoperation empfohlen; kardiovaskuläre Risikofaktoren: Arterielle Hypertonie, familiäre Disposition, Hyperlipoproteinämie, Nikotinabusus) und vorbekannt global kardiale Dekompensation bei hypertensiver Herzerkrankung 01...