Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Therapie-Dreirad. erblindeter Versicherter
Orientierungssatz
Eine Krankenkasse hat die Kosten für ein Therapie-Dreirad (HUKA-Dreirad) bei einem erblindeten Versicherten weder im Rahmen der Heilmittelversorgung noch im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zu erstatten.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für ein HUKA-Dreirad zu erstatten.
Bei dem ... 1990 geborenen, bei der Beklagten familienversicherten Kläger trat infolge einer Frühgeburtlichkeit eine Retinopathie auf, die zu seiner völligen Erblindung führte. Hierdurch leidet er ferner an einer verzögerten psychomotorischen Entwicklung mit Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen.
Am 28. August 1995 legte er der Beklagten die Verordnung der Ärztin für Augenheilkunde Dr. S, H, vom 24. Mai 1995 über ein "Dreirad zu Therapiezwecken" vor sowie den Kostenvoranschlag der Firma AGIL-Rehabilitations-Technik GmbH vom 24. August 1995 über ein HUKA-Dreirad mit Schiebebügel, Beinführung, Fußhalterung und Rückenlehne mit Haltegurt (Kosten: 2.923,70 DM). Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. H, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), am 14. September 1995 ein Gutachten nach Aktenlage, wobei er die Kostenübernahme nicht befürwortete. Das begehrte Dreirad sei ein Hilfsmittel, das über den Rahmen des Notwendigen hinaus gehe.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1995 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin ab. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch lehnte die Beklagte den Antrag nach nochmaliger Prüfung erneut ab (Bescheid vom 8. November 1995). Im Rahmen des wiederum eingeleiteten Widerspruchsverfahrens legte der Kläger ein Attest der Dr. S vom 6. November 1995 vor, wonach die Anschaffung eines Therapie-Dreirades aus augenärztlicher Sicht zur Förderung der Mobilität dringend empfohlen werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1996 wies der bei der Beklagten eingesetzte Widerspruchsausschuß II den Widerspruch mit der Begründung zurück, das begehrte Dreirad diene nicht der medizinischen Rehabilitation, sondern gleiche vielmehr die Folgeerscheinung der bestehenden Behinderung im Bereich allgemeingesellschaftlicher Bedürfnisse aus. Solche Hilfen zur Lebensführung fielen nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage. Zur Begründung verwies er auf den therapeutischen Zweck des Dreirades, das die vorhandenen Bewegungseinschränkungen, insbesondere seine Motorik sowie seine erhebliche Gleichgewichtsstörungen verbessere und daher erforderlich sei. Es nutze die gleichen Impulse zum Aufbau eines ausreichenden Tonus der Wirbelsäule wie eine Therapie nach Bobath und Vojta. Der Kläger legte in Kopie neben bereits aktenkundigen Unterlagen seinen Schwerbehindertenausweis sowie Bescheinigungen des Kinderarztes Dr. W vom 1. Februar 1996 und 15. Mai 1996 vor, ferner einen Auszug aus dem Hilfsmittelkatalog mit einer Beschreibung der günstigen Wirkungen von Dreirädern.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten sowie weiterer Stellungnahmen der Ärztinnen beim MDK Dr. Sch vom 2. April 1996 und Dr. S vom 5. Oktober 1998 entgegen.
Das SG ließ Prospektmaterial über HUKA-Dreiräder vorlegen, holte das Gutachten von Prof. Dr. B, Leiterin der Sektion Ophthalmologische Rehabilitation in der Augenklinik des Universitätsklinikums H, vom 17. August 1998 ein und verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 12. November 1998 unter Aufhebung des Bescheids vom 8. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 1996, den Kläger mit einem Therapie-Dreirad zu versorgen. Zur Begründung führte es aus, das Therapie-Dreirad gleiche zumindest teilweise die behinderungsbedingten Einschränkungen des Klägers aus, da es erheblich das Gleichgewicht, die Koordination und die Mobilität verbessere. Das Dreirad sei erforderlich, da der Behinderungsausgleich in gleichem Umfang nicht durch ein kostengünstigeres Hilfsmittel erreicht werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des der Beklagten am 20. November 1998 zugestellten Urteils verwiesen.
Hiergegen richtet sich die am 14. Dezember 1998 schriftlich beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, daß das begehrte Dreirad nicht geeignet sei, die durch die Blindheit im Bereich der Mobilität bestehenden Einschränkungen auszugleichen. Während ein Dreirad Einschränkungen der Fähigkeit zur Fortbewegung teilweise auszugleichen vermöge, sei dies bei den durch die Blindheit verursachten Einschränkungen der Fortbewegung -- anders als bei einem Blindenhund oder -stock -- nicht der Fall. Eine bedeutende Erweiterung der Mobilität bzw. des körperlichen oder geistigen Freiraums werde nicht erreicht. Da das über eine Schiebestange gesteuerte Dreirad lediglich mit S...