Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgeld- oder Sozialhilfeanspruch. Zusammenleben eines nicht erwerbsfähigen Elternteils mit dem unter 25jährigem unverheirateten Kind und dessen Kind oder Partner. keine überlappenden Bedarfsgemeinschaften. keine vorläufigen Leistungen durch Sozialhilfeträger nach bestandkräftiger Ablehnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB 2 ist einschränkend auszulegen, wenn das unverheiratete erwerbsfähige unter 25jährige Kind selbst mit einem eigenen Kind oder Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. In diesem Fall werden Eltern oder Elternteile dieses Kindes nicht in dessen Bedarfsgemeinschaft einbezogen (keine überlappenden Bedarfsgemeinschaften).
2. Vorläufige Leistungen nach § 43 Abs 1 SGB 1 können dann nicht mehr erbracht werden, wenn der eigentlich zuständige Träger die Erbringung der Leistungen bereits bestandskräftig abgelehnt hat.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2010 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009.
Die 1952 geborene Klägerin lebte im streitigen Zeitraum gemeinsam mit ihrer 1990 geborenen Tochter S. in einer Wohnung. In der Zeit vom 3. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2008 lebte dort ebenfalls der Freund der Tochter. Am 11. September 2008 wurde K., die Tochter von S. und ihrem Freund geboren, die ebenfalls in der Wohnung lebte. Die Klägerin bezog bis 30. August 2008 von der Beklagten die Regelleistung - zunächst in Bedarfsgemeinschaft mit der Tochter und ab 1. Dezember 2007 allein (Bewilligungsbescheid vom 29. April 2008 für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2008, Aufhebungsbescheid vom 28. Juli 2008 für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 8. September 2008 - bestandskräftig). Mit Bescheid vom 18. September 2008 wurde der Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. Juli 2010 in Höhe von 146,17 € monatlich bewilligt. Über weiteres Einkommen oder verwertbares Vermögen verfügte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht.
Anträge an den Landkreis auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom 29. April 2008 und 7. August 2008 wurden mit Bescheiden vom 8. September 2008 und 7. Oktober 2008 bestandskräftig abgelehnt.
Den Antrag der Klägerin vom 28. Oktober 2008 auf Fortzahlung der Leistungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2008 ab, weil die Klägerin nicht erwerbsfähig sei. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2008 zurück (Absendevermerk vom 1. Dezember 2008).
Am 25. November 2008 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ihren Widerspruch einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), welches die Beklagte mit Beschluss vom 19. Dezember 2008 verpflichtete, vorläufig Leistungen ab 1. Dezember 2008 zu erbringen (S 15 AS 5061/08 ER). Im Beschwerdeverfahren begrenzte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Verpflichtung der Beklagten auf den Zeitraum bis 31. Mai 2009 und wies die Beschwerde der Beklagten im Übrigen zurück (Beschluss vom 24. März 2009 - L 13 AS 499/09 ER-B -).
Nachdem die Beklagte unter Hinweis auf die Versäumung der Klagefrist die Leistungen ab Februar 2009 eingestellt hatte, beantragte die Klägerin erneut einstweiligen Rechtsschutz beim SG (S 15 AS 389/09 ER) und machte geltend, sie habe den Widerspruchsbescheid nicht erhalten. Die Beklagte übersandte daraufhin Anfang Februar 2009 eine Abschrift des Widerspruchsbescheids.
Am 12. Februar 2009 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, der Widerspruchsbescheid vom 28. November 2008 sei ihr erst am 7. Februar 2009 zugegangen. Außer einer Rente wegen Erwerbsminderung habe sie kein Einkommen. Am 11. März 2009 hat die Klägerin für den Zeitraum ab 1. Juni 2009 erneut Leistungen bei der Beklagten beantragt.
Mit Urteil vom 26. Januar 2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2008 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 Sozialgeld in Höhe von 80 v.H. der Regelleistung zu gewähren. Im Übrigen (für die Zeit vom 28. Oktober bis 30. November 2008) hat es die Klage unter Hinweis auf die bestandskräftige Aufhebung der Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei fristgerecht erhoben worden, da die Beklagte den Nachweis, dass der Klägerin der Widerspruchsbescheid vor dem 7. Februar 2009 zugegangen sei, nicht geführt habe (unter Hinweis auf ...