Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Arzneimittelversorgung. Einschlusskörpermyositis (IBM). kein Vorliegen einer Behandlungsmethode nach § 137c SGB 5 bei einer Applikation von intravenösem Immunglobulin (IVIG). Anspruch auf ein verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel grundsätzlich nur, wenn das Anwendungsgebiet einem zugelassenen Indikationsgebiet entspricht. keine Erfüllung der Voraussetzungen eines Off-Label-Use

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die intravenöse Applikation von Immunglobulinen (hier: IVIG) stellt keine Behandlungsmethode iS des § 137c SGB V dar.

2. Versicherte können eine Versorgung mit einem verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem es angewendet werden soll.

3. Eine Versorgung mit IVIG im Rahmen eines Off-Label-Use kommt nur nach den Vorgaben des § 35c SGB V bzw nach den allgemeinen, vom BSG entwickelten Grundsätzen für einen Off-Label-Use in Betracht.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 6.540,03 €

festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von noch 6.450,03 € aufgrund einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin betreibt ein durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenes Krankenhaus.

Wegen des Verdachts auf Motoneuronkrankheit und Amyotrophe Lateralsklerose wurde der bei der Beklagten krankenversicherte S (im Folgenden Versicherter) am 21. Februar 2012 vollstationär auf der neurologischen Station des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses aufgenommen. Neben MRT-, Labor- und neurophysiologischen Untersuchungen erfolgte eine Muskelbiopsie, in deren Rahmen die Diagnose einer Einschlusskörperchenmyositis gestellt wurde. Daraufhin wurde der Versicherte mit 30 mg (0,4 mg/kg Körpergewicht) intravenösen Immunglobulinen (IVIG; Privigen®) täglich über fünf Tage behandelt. Die Entlassung erfolgte am 6. März 2012. Im Entlassungsbrief vom 7. März 2012 nannten L, L1 und G als Diagnosen eine Einschlusskörperchenmyositis, ein metabolisches Syndrom (kombinierte Hyperlipidämie, Diabetes mellitus Typ 2, Hyperurikämie), eine arterielle Hypertonie, einen Zustand nach Polypenresektion Januar 2012 sowie eine Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) vom Typ IgG/Lambda. Der Versicherte gab während der stationären Aufnahme eine Verbesserung der Symptomatik an.

Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür unter dem 12. März 2012 einen Betrag von insgesamt 10.198,62 € (ohne Zuzahlung) in Rechnung. Dem Rechnungsbetrag lagen die Diagnosis Related Group (DRG) B17C (Eingriffe an periph. Nerven, Hirnnerven u. and. Teilen d. Nervensyst. oh. äuß. schw. CC, oh. kompliz. Diagn. od. Eingr. bei zerebr. Lähmung, Muskeldystr. od. Neuropathie od. äuß. schw. od. schw. CC, Alt. ≫18 J., oh. kompl. Diagn., oh. mäßig kompl. Eingr.) sowie u.a. das Zusatzentgelt ZE93.14 in Höhe von 6.424,97 € zugrunde.

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Überprüfung der Rechnung. S1, MDK, bestätigte im Gutachten vom 8. Mai 2012 Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung, die angesetzten DRG und Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) sowie die Menge der verabreichten Immunglobuline. Zur Frage deren indikationsgerechten Verabreichung folge eine gesonderte Stellungnahme. Im sozialmedizinischen Gutachten vom 9. Juli 2012 kam H, MDK, zu der Einschätzung, die Gabe von Immunglobulinen habe im Falle des Versicherten einen Off-Label-Use dargestellt, da diese zur Behandlung der Einschlusskörperchenmyositis (inclusion body myositis ≪IBM≫) nicht zugelassen seien. Die Voraussetzungen für eine Anwendung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung hätten nicht vorgelegen. Zwar sei die IBM wenn auch keine lebensbedrohliche, so doch die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung, für die eine anerkannte medikamentöse Therapie nicht zur Verfügung stehe. Aussagen über einen möglichen Behandlungserfolg könnten aber nicht getroffen werden, da die bisher veröffentlichte Literatur widersprüchlich sei. Eine Phase III-Studie liege nicht vor. Weitere Studien seien erforderlich.

Hiergegen wandte die Klägerin ein, die Therapie mit Immunglobulinen habe der Leitlinie „Myositissyndrome“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN; AWMF-Registernummer 030/054; im Folgenden Myositis-Leitlinie) bei IBM entsprochen. In ihrem Gutachten vom 5. Februar 2013 bestätigte M, MDK, das Ergebnis des Vorgutachtens. Aus der Myositis-Leitlinie ergebe sich, dass die medikamentös...

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