Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit. Vermögensverwertung. fehlende Rechtsgrundlage für die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.1.2005
Orientierungssatz
1. In Folge der Streichung des Wortes "Arbeitslosenhilfe" in § 335 Abs 1 S 1 SGB 3 in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung besteht keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Vergangenheit mehr. Die durch die Rechtsänderung entstandene planwidrige Regelungslücke ist keiner erweiternden Auslegung oder analogen Anwendung zugänglich (Anschluss an LSG Stuttgart vom 15.12.2006 - L 12 AL 3427/06).
2. Zur Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit aufgrund der Nichtangabe von Vermögen.
Tenor
Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Februar 2008 wird in Ziffer 1 wie folgt berichtigt:
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 wird insoweit aufgehoben, als darin die Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 685,17 € festgesetzt worden ist.
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und deren Erstattung sowie gegen den Ersatz der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der ... 1961 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 1994 bei der Firma C S GmbH als Montagearbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Zum 31. Dezember 1994 endete das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag mit Zahlung einer Abfindung in Höhe von 28.000,00 DM. Die Beklagte (damals Bundesanstalt für Arbeit, jetzt Bundesagentur für Arbeit) stellte für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 1995 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches fest und bewilligte für die Zeit vom 1. April 1995 bis 19. April 1996 Arbeitslosengeld (Alg). Am 17. April 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten Alhi. In dem Antragsformular verneinte er, über Einkommen und Vermögen zu verfügen. Mit Bescheid vom 2. Mai 1996 bewilligte die Beklagte daraufhin Alhi für die Zeit vom 20. April bis 31. August 1996 unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 770,00 DM (wöchentlicher Leistungssatz 255,60 DM). Mit Änderungsbescheid vom 16. April 1999 wurde dem Kläger Alhi für den Zeitraum vom 20. April bis 31. August 1996 unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in Höhe von 820,00 DM bewilligt (wöchentlicher Leistungssatz 267,60 DM).
Mit Schreiben vom 11. Februar 2005 übersandte das Hauptzollamt Stuttgart der Agentur für Arbeit Balingen, dort eingegangen am 14. Februar 2005, einen Überweisungsträger, aus dessen Eintragungen sich ergibt, dass der Kläger am 3. April 1995 unter seinem Namen, seiner Anschrift und seinen Passdaten über die D Bank AG, H einen Kreditbrief der T. C. M B - Türkische Zentralbank - (TCMB), Ankara, mit einer Kreditbrieflaufzeit von zwei Jahren in Höhe von 20.000,00 DM erworben hatte.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt habe. Ihm habe im Bewilligungszeitraum Vermögen in Höhe von 20.000,00 DM zur Verfügung gestanden, das er nach Abzug eines Freibetrags in Höhe von 8.000,00 DM und unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 770,00 DM wöchentlich zur Bedarfsdeckung im Zeitraum vom 20. April bis 2. August 1996 hätte einsetzen müssen. Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 2005, er habe im genannten Zeitraum 1996 keine Kapitalanlagen im Ausland gehabt. In seinem Antrag vom 20. April 1996 habe er nicht grob fahrlässig falsche Angaben gemacht.
Mit Bescheid vom 3. Januar 2006 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alhi für den Zeitraum vom 20. April bis 2. August 1996 zurück und forderte den Kläger auf, die in diesem Zeitraum zu Unrecht gezahlte Alhi in Höhe von 1.960,29 € sowie die im selben Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 633,07 € bzw. 57,90 €, zusammen 690,97 €, zu erstatten.
Hiergegen legte der Kläger am 19. Januar 2006 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Einzahlung sei schon am 3. April 1995, also ein Jahr vor dem Antrag auf Alhi, erfolgt. Der Kreditbrief habe zwar eine Laufzeit von zwei Jahren gehabt, er habe aber jederzeit darüber verfügen können. Außerdem habe er in der Vergangenheit auch für seinen in Rente befindlichen Vater oder seinen Onkel gefälligkeitshalber Geldüberweisungen vorgenommen. Nach seiner Erinnerung handle es sich bei dem fraglichen Geld nicht einmal um sein eigenes Vermögen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegrü...