Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Ausnahme vom Zuflussprinzip. Berücksichtigung einmaliger Einnahmen im Folgemonat
Leitsatz (amtlich)
Der wesentliche Zweck der Ausnahmeregelung des § 11 Abs 3 S 2 SGB 2 besteht in der Verwaltungsvereinfachung bei der Berücksichtigung von Einkommen. Sie kommt dann zur Anwendung, wenn dieser Zweck erreicht werden kann. In all den Fällen, in denen der Zufluss einer Einnahme der Verwaltung erst zu einem Zeitpunkt bekannt wird, zu dem eine Berücksichtigung für den Folgemonat nicht mehr möglich ist, verbleibt es bei den allgemein gültigen Regelungen, insbesondere dem Zuflussprinzip, und der Rückabwicklung in Form eines Rücknahme- bzw Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. April 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 18. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2012 insoweit aufgehoben, als darin die Leistungsbewilligung für den Monat Juli 2012 teilweise aufgehoben und ein Erstattungsbetrag von 259,32 € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu 3/5 zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten, mit dem dieser insgesamt 442,16 € zurückverlangt.
Der 1970 geborene Kläger stand bis einschließlich April 2011 in einem Beschäftigungsverhältnis und bezog im Anschluss daran ab Mai 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom Beklagten. Unter anderem bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2011 Leistungen in Höhe von monatlich 748,50 € für die Zeit von Mai bis August 2011 (Bl. 312 der Verwaltungsakte - VA -) und mit Bescheid vom 23. April 2012 vorläufig Leistungen für Mai bis Oktober 2012 in Höhe von monatlich 758,50 € (Bl. 389 VA). Die Vorläufigkeit des Bescheides begründete der Beklagte mit dem Fehlen von Unterlagen/Nachweisen (u.a. Anlage EK, Kontoauszüge, Heiz- und Nebenkostenabrechnung), die der Kläger in der Folgezeit noch vorlegte.
Am 31. Mai 2011 erhielt der Kläger eine Nachzahlung seines Arbeitgebers in Höhe von 328,55 € auf sein Konto überwiesen (Bl. 318, 319 VA, zu Unrecht einbehaltene Beiträge zur Arbeitslosenversicherung). Am 5. Juli 2012 bekam er eine Steuerrückerstattung des Finanzamtes in Höhe von 289,32 € (Bl. 414, 416 VA). Beide Beträge waren bei Erlass der Bewilligungsbescheide nicht berücksichtigt worden. Von der Nachzahlung erfuhr der Beklagte am 4. Oktober 2011 in Verbindung mit dem Weiterbewilligungsantrag, von der Steuerrückerstattung am 9. Juli 2012, jeweils durch Vorlage von Kontoauszügen durch den Kläger.
Ebenfalls am 9. Juli 2012 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten teilweisen Aufhebung an (Bl. 425 VA). Am 17. Juli 2012 teilte der Kläger dem Beklagten die Aufnahme einer Beschäftigung bei einer Zeitarbeitsfirma ab dem 18. Juli 2012 mit (vgl. Arbeitsvertrag Bl. 441 VA). Der Beklagte hob mit Bescheid vom 18. Juli 2012 den Bescheid vom 12. Mai 2011 teilweise für Mai 2011 in Höhe von 182,84 € und den Bescheid vom 23. April 2012 teilweise für Juli 2012 in Höhe von 259,32 € auf (Bl. 438 VA). Zugleich forderte er den Kläger zur Erstattung der zu Unrecht gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 442,16 € auf.
Den gegen den Bescheid eingelegten, aber vom Kläger nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2012 zurück und führte aus, der Kläger sei aufgrund des erzielten Einkommens nicht im bisher berücksichtigten Umfang bedürftig gewesen. Die Bewilligungsentscheidungen hätten daher gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) aufgehoben werden dürfen. Soweit Leistungen gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II vorläufig bewilligt worden seien, sei die Rückforderung zu viel erbrachter Leistungen kraft Gesetzes zulässig. Die Pflicht zur Erstattung folge aus § 50 SGB X.
Am 15. Oktober 2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Beklagte habe § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II nicht beachtet, wonach einmalige Einnahmen im Folgemonat berücksichtigt würden, sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Leistungen erbracht worden seien.
Der Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.
Mit Urteil vom 16. April 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 12. Mai 2011 für den Monat Mai 2011 sei rechtmäßig. Sie beruhe auf § 40 Abs. 2 Nr. 3 ...