Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Höhe der Verletztenrente. MdE-Bemessung. Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit. Kriterien. 20 vH. Mehrfragment-Fraktur der Hand. Gelenksarthrose

 

Leitsatz (amtlich)

Als Vergleichsmaßstab zur Bewertung der Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit für die Bemessung der MdE können keine Bewegungsausmaße über den Normalwerten berücksichtigt werden. Zwar wird grundsätzlich zur Prüfung des Ausmaßes der Bewegungseinschränkungen ein Vergleich mit der anderen unverletzten Hand gezogen um den individuellen Unterschieden im Hinblick auf die anlagebedingte Handgelenksbeweglichkeit Rechnung zu tragen. Andererseits muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Höhe der MdE nach dem abstrakt bemessenen Verlust von Erwerbsmöglichkeiten auf Grund des Umfangs der sich aus der unfallbedingten Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens richtet.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer Verletztenrente für die Zeit ab dem 01.07.2010.

Die am … 1951 geborene Klägerin ist gelernte Näherin und war als Raumpflegerin an wechselnden Arbeitsorten seit dem 01.02.2006 bei der GmbH V. tätig, deren Geschäftsführer ihr Sohn ist. Am 01.01.2009 stürzte die Klägerin auf dem Parkplatz vor ihrer Wohnung auf dem Weg zur Arbeit, fiel auf das rechte Handgelenk und zog sich eine distale Radiusfraktur sowie eine offene Punktreposition zu (Durchgangsarztbericht vom 20.01.2009). Mit Unfallanzeige vom 20.01.2009 zeigte der Arbeitgeber den Arbeitsunfall an.

Vom 06. bis 13.01.2009 wurde die Klägerin in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG T.) stationär behandelt und es erfolgte am 07.01.2009 eine offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur am distalen Radius und Stabilisierung durch eine dorsale winkelstabile Platte. Der behandelnde Chirurg Dr. F. teilte der Beklagten mit Schreiben von 19.03.2009 mit, röntgenologisch zeige sich eine ordentliche Stellung der Fraktur bei jedoch deutlich erkennbarer Kalksalzminderung im Sinne einer Dystrophie. Die Beweglichkeit im Handgelenk sei noch hälftig eingeschränkt, der Faustschluss sei noch inkomplett. Ab dem 14.04.2009 erfolgte eine stufenweise Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit im Umfang von 3 Stunden täglich und vom 29.04.2009 bis 27.05.2009 wurde eine Komplex Stationäre Rehabilitation (KSR) in der BG T. durchgeführt. Prof. Dr. S., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, gab nach ambulanter Untersuchung am 14.05.2009 in seinem neurologischen Befundbericht insbesondere an, es bestehe ein chronisches regionales Schmerzsyndrom (CRPS) mit den typischen Zeichen vegetativer Fehlregulation (Schwellung, Temperaturminderung, vermehrtes Schwitzen). Hinweise für eine umschriebene Nervenschädigung an der rechten Hand sowie für eine Schmerzfehlverarbeitung bestünden nicht. Vom 28.05.2009 bis zum 25.06.2009 wurde eine erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP) durch die BG T. durchgeführt. In dem Zwischenbericht der BG T. von Prof. Dr. W. vom 10.07.2009 wurde angegeben, aufgrund der Ausgeprägtheit der Befunde mit CRPS-Verlauf sei die Wiederaufnahme einer Tätigkeit als Reinigungskraft in absehbarer Zeit insgesamt nicht zuzumuten. Im Zwischenbericht vom 29.07.2009 wurde der Verharrungszustand festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld zum 21.07.2009 ein. Die Tochter der Klägerin teilte der Beklagten telefonisch am 09.09.2009 mit, die Klägerin arbeite seit letzter Woche wieder fast jeden Tag, könne aber fast keine Tätigkeiten mehr ausführen und habe große Schmerzen bei der Arbeit. Sie arbeite morgens ca. 2 bis 3 Stunden, über den restlichen Tag wasche sie Wischmöpse in der Waschmaschine der Firma. Putzen könne sie nicht mehr richtig.

Die Beklagte holte bei Prof. Dr. W. ein Gutachten ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 20.11.2009 einen operativ versorgten Bruch des körperfernen Speichenendes mit Gelenkbeteiligung mit deutlicher Bewegungseinschränkung im Handgelenk in allen Bewegungsrichtungen, eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung bei Rotationsbewegung im Unterarm, im Vergleich zur Gegenseite deutliche Kraftminderung im Bereich der gesamten rechten Hand und ein CRPS am rechten Handgelenk und der rechten Hand fest. Die Unterarmdrehung betrage rechts 70-0-90°, links 90-0-90°, die Beweglichkeit der Handgelenke handrückenw./hohlhandw. rechts 40-0-30°, links 60-0-50° und speichen-/ellenwärtsrechts 10-0-20° und links 40-0-40°. Er erachtete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 01.07.2009 bis 30.06.2010 auf 20 vom Hundert (v. H.). Danach werde die MdE voraussichtlich noch 10 v. H. betragen.

Mit Bescheid vom 19.01.2010 wurde der Klägerin wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalles vom...

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