Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt (hier: Kinderarzt). Abrechnung der Geb-Nr 19 EBM-Ä. Begriff der krankheitsbedingten Kommunikationsstörung. Kleinkind
Orientierungssatz
1. Die Geb-Nr 19 EBM-Ä hat in jeder Variante zur Voraussetzung, dass ein seinem Alter nach grundsätzlich der verbalen Kommunikation ausreichend mächtiger Patient an psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingter Kommunikationsstörung leidet.
2. Eine krankheitsbedingte Kommunikationsstörung iS der Geb-Nr 19 EBM-Ä kann nur gegeben sein, wenn eine verbale Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt ohne die in der Leistungslegende genannten Gründe grundsätzlich möglich wäre, sie in der konkreten Untersuchungssituation aber aus den in der Leistungslegende genannten Ursachen nicht (ausreichend) möglich ist. Andere Gründe, die eine gestörte Kommunikation verursachen, wie zB fehlende Sprachkenntnisse des Patienten, rechtfertigen den Ansatz der Geb-Nr 19 EBM-Ä nicht. In dem Fall, dass ein Kleinkind sich wegen des altersbedingt fehlenden Artikulationsvermögens zu krankheitsbedingten Beschwerden nicht äußern kann, ist die Geb-Nr 19 EBM-Ä nicht berechenbar.
3. Bei einem Alter der Kinder von bis zu vier Jahren ist eine Kommunikationsfähigkeit iS der Möglichkeit, auf Frage die Vorgeschichte einer Erkrankung verbal mitteilen zu können, noch nicht gegeben.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich noch gegen die von der Beklagten verfügten Streichungen der Geb.-Nr. 19 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) in ihrer Abrechnung des Quartals 2/97.
Der Kläger zu Ziff. 1, ein Kinderarzt, ist mit der Klägerin zu Ziff. 2, einer Ärztin, in der Fachgruppe der Kinderärzte in S. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie üben ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis aus.
Die Beklagte strich im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung u. a. die Geb.-Nr. 19 EBM ("Erhebung der Fremdanamnese, ggfs. bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z.B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugspersonen, einmal im Behandlungsfall") in der Abrechnung des Quartals 2/97 46 mal, da nach der Dokumentation auf dem Behandlungsausweis der Leistungsinhalt dieser Geb.-Nr. nicht erbracht worden sei. Die Kläger erhoben Widerspruch und machten hinsichtlich des hier noch streitigen Gegenstands geltend, die Streichung sei durch nichts gerechtfertigt. Es handle sich bei sämtlichen Kindern um psychische Störungen (Schlaf- und Verhaltensstörungen), die einer intensiven Fremdanamnese und Unterweisung bedurft hätten.
Der Vorstand der Beklagten wies den Widerspruch in dem hier streitigen Umfang zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.10.1997). Zur Begründung führte er aus, die in den 46 beanstandeten Fällen angegebenen Diagnosen ließen nicht erkennen, dass es sich um psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erhebliche kommunikationsgestörte Kinder gehandelt hätte. Die noch nicht vorhandene Kommunikationsfähigkeit eines Kindes aufgrund der altersbedingten Entwicklung sei nicht krankheitsbedingt und erfülle somit nicht den Leistungsinhalt der Geb.-Nr. 19 EBM.
Die Kläger haben am 05.11.1997 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und hinsichtlich der hier im Streit stehenden Geb.-Ziffer geltend gemacht, die Auffassung der Beklagten zur Auslegung der Geb.-Nr. 19 EBM treffe nicht zu. Die Leistungsbeschreibung enthalte drei gleichwertige Alternativen einer Störung. Der Patient müsse entweder psychisch krank oder (aufgrund einer sonstigen Krankheit) krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestört sein. Derartige Fallkonstellationen seien selbstverständlich gerade auch bei Kleinkindern möglich.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat die beanstandeten Abrechnungsscheine vorgelegt.
Mit Urteil vom 23.02.2000 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Gesamthonorarbescheides für das Quartal 2/97 sowie des zugrunde liegenden Berichtigungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.1997 verurteilt, über die gestrichenen Leistungen nach Geb.-Nr. 19 EBM unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte habe die Abrechnung der Leistung nach Geb.-Nr. 19 EBM in den gestrichenen 46 Fällen nochmals inhaltlich zu überprüfen. Bislang habe sie sich lediglich darauf gestützt, die entsprechenden Leistungen könnten bei Kindern, die noch nicht ausreichend sprechen könnten, generell nicht erbracht werden. Dabei sei zwar eine Fremdanamnese von Geb.-Nr. 19 EBM nicht erfasst, die wegen fehlender Deutschkenntnisse oder wegen altersbedingt fehlender Sprachkenntnisse erforderlich werde. Denn in beiden Fällen sei die Kommunikation zwar gestört, jedoch nicht infolge einer Krankheit. Jedoch sei die Kammer der Auffassung, dass in den Fällen, in denen zusätzlich zu der aufgrund des Alters oder ...