Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Bereinigung des Regelleistungsvolumens (RLV) in den Quartalen 1/2009 und 2/2009. Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die in den Quartalen 1/2009 und 2/2009 durchgeführte Bereinigung des Regelleistungsvolumens wegen Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nur bei den HzV-Ärzten und nicht bei allen Hausärzten ist rechtlich zulässig gewesen.

 

Orientierungssatz

Der RLV-Bereinigungsvertrag verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot (vgl BSG vom 4.5.2016 - B 6 KA 24/15 R = BSGE 121, 154 = SozR 4-2500 § 103 Nr 19 RdNr 60 mwN).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.06.2019; Aktenzeichen B 6 KA 66/17 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.02.2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € endgültig festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Honorar für das Quartal 1/2009; sie wendet sich gegen die Bereinigung (Verminderung) des Regelleistungsvolumens (RLV) wegen Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung (HzV).

Die Klägerin ist eine ärztliche Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft, BAG). Ihr gehören die Fachärzte für Innere Medizin und Allgemeinmedizin Dres. B. und R. an. Die Dres. B. und R. sind mit Vertragsarztsitz in B. a. d. R. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie sind als Hausärzte tätig. Als solche nehmen sie an der (kollektivvertraglichen) hausärztlichen Versorgung aller gesetzlich Versicherten und außerdem an der (selektivvertraglichen) HzV von Versicherten der A. (A.) teil. Im Quartal 1/2009 hat die Klägerin hausärztliche Leistungen für 461 (Dr. B. 334, Dr. R. 127) in die HzV eingeschriebene Versicherte (HzV-Versicherte) erbracht.

Mit Bescheid vom 19.12.2008 wies die Beklagte den Dres. B. und R. für das Quartal 1/2009 ein arztbezogenes RLV von jeweils 20.746,60 € zzgl. BAG-Aufschlag von 10% zu (arztgruppenspezifischer RLV-Fallwert 35,77 € bzw. nach arztindividueller Anpassung 33,77 €; RLV-relevante Fallzahl des Quartals 1/2008 580). Das Gesamt-RLV der Dres. B. und R. betrug 45.642,52 €. Dem RLV-Zuweisungsbescheid war ein Vorbehalt beigefügt, wonach ggf. Anpassungen notwendig werden können (u.a.) auf Grund der Teilnahme an der HzV.

Am 12.01.2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den RLV-Zuweisungsbescheid vom 19.12.2008 für das Quartal 1/2009. Der arztgruppenspezifische RLV-Fallwert von 35,77 € sei existenzgefährdend. Auch mit (arztindividuellen) Aufschlägen auf den RLV-Fallwert und den dem RLV nicht unterliegenden (freien) Leistungen seien die Fallwerte der Jahre 2007 und 2008 nicht zu erreichen.

Mit Honorarbescheid vom 07.10.2009 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin (für die Behandlung gesetzlich Versicherter) für das Quartal 1/2009 auf 37.161,70 € fest (arztgruppenspezifischer RLV-Fallwert 35,86 €, arztindividueller RLV-Fallwert nach Anpassung 33,86 €, anerkannte RLV-relevante Fallzahl 580). Das anerkannte RLV von 43.205,36 € wurde wegen Teilnahme an der HzV durch HzV-bezogene Bereinigung des RLV (RLV-Bereinigung) um ein RLV-Bereinigungsvolumen von 21.089,38 € (461 HzV-Versicherte x RLV-Bereinigungsbetrag je HzV-Versichertem von 45,75 €) auf 22.115,98 € vermindert (RLV-relevante Leistungsanforderung 37.583,78 €, RLV-Überschreitung 15.467,80 €). Der Honorarbescheid enthält den allgemeinen Hinweis, dass die Honorarabrechnung für alle Hausärzte unter dem Vorbehalt der nachträglichen Korrektur für den Fall steht, dass die Systematik der Honorarbereinigung aufgrund der Teilnahme an Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung von den Vertragspartnern auf Bundes- oder Landesebene abweichend geregelt wird.

Am 19.10.2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Honorarbescheid vom 07.10.2009 für das Quartal 1/2009. Bei einem Gesamthonorar von 38.300,98 € (einschließlich u.a. des Honorars der sonstigen Kostenträger) ergebe sich bei 823 anerkannten Fällen ein Fallwert von 46,54 €. Unter Anwendung eines in einer Sitzung der Vertreterversammlung der Beklagten benannten (aus ihrer Sicht immer noch zu niedrigen) Durchschnittsfallwerts für Hausärzte von 55,51 € müsste ihr Honorar um 7.383,75 € höher festgesetzt werden.

Mit Schreiben vom 26.04.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Krankenkassen hätten sich auf eine regionale Regelung zur Bereinigung der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) bzw. der RLV im Rahmen der HzV für das Jahr 2009 geeinigt. Man habe das als Kompromiss akzeptiert. Für die Quartale 1/2009 und 2/2009 hätten die Krankenkassen die von ihr, der Beklagten, vorgenommene RLV-Bereinigung gebilligt. Zusätzlich sei aber eine Härtefallregelung eingeführt worden. Diese sehe vor, dass der RLV-Fallwert (der an der HzV teilnehmenden Hausärzte - HzV-Ärzte) für alle in den Quartalen 1/2009 und 2/2009 abgerechneten (Behandlungs-)Fälle der nicht...

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