Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Zuordnung zur Leistungsgruppe. Steuerklassenwechsel. Arbeitslosengeldbezug beider Ehegatten. Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte. geringeres Arbeitslosengeld. Gesamtbetrachtung der Leistungsansprüche beider Ehegatten. Verfassungsgebot
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen des § 137 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3 liegen nicht vor, wenn die zugrunde zu legenden - vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielten - letzten monatlichen Bruttoarbeitsentgelte der Ehegatten nach den vom BMF herausgegebenen "Tabellen der Steuerklassenwahl" den geringsten Steuerabzug bei Wahl der Lohnsteuerklassen III und V ergeben und die neu eingetragenen Steuerklassen IV und IV somit nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte entsprechen.
2. Die Voraussetzungen des § 137 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 3 sind erfüllt, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen für beide Ehegatten zusammen eine geringere Summe Arbeitslosengeld und darüber hinaus auch schon bei einem einzelnen Ehegatten ein geringeres Arbeitslosengeld ergibt. Arbeitslose Ehegatten haben einen Anspruch darauf, dass ein Steuerklassenwechsel bei ihnen beiden gleichzeitig berücksichtigt wird, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
3. Wenn beide Ehegatten im Leistungsbezug der Bundesanstalt für Arbeit (BA) stehen, sind die Voraussetzungen des § 137 Abs 4 S 1 SGB 3 für beide Leistungsansprüche gemeinsam zu prüfen. Die Gesamtbetrachtung der Leistungsansprüche beider Ehegatten ist nach dem Gesetzeszweck und verfassungsrechtlich geboten (entgegen LSG Darmstadt vom 20.6.2001 - L 6 AL 14/01).
4. Auch der Begründung des LSG Essen im Urteil vom 21.3.2001 - L 12 AL 114/00 -, beide Ehegatten könnten Leistungen nach der Leistungsgruppe D erhalten, weil zu geringeren Leistungen führende Änderungen immer, zu höheren Leistungen führende Änderungen aber nur nur dann zu berücksichtigen seien, wenn die Änderungen steuerlich zweckmäßig seien, kann der Senat nicht folgen. Die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen beider Ehegatten sind entweder nach § 137 Abs 4 S 1 Nr 1 oder nach Nr 2 SGB 3 zu berücksichtigen oder aber gar nicht.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin in der Zeit vom 01.11.1999 bis 30.11.1999 zu gewährenden Arbeitslosengelds (Alg) streitig.
Die Klägerin wurde zum 01.12.1998 arbeitslos. Sie erhielt im November 1998 ein Arbeitsentgelt i.H.v. (brutto) DM 3.779,--. Ihr wurde ab dem 01.12.1998 Alg i.H.v. DM 289,03 wöchentlich (Leistungsgruppe A/0 entsprechend der zu Beginn des Jahres eingetragenen Lohnsteuerklasse I; Bemessungsentgelt DM 780,--) und ab 01.01.1999 i.H.v. DM 291,83 bewilligt.
Am 09.09.1999 schloss die Klägerin die Ehe. Der Ehemann der Klägerin bezog seit 01.03.1999 ebenfalls Alg. Er erhielt im Februar 1999 ein Arbeitsentgelt i.H.v. DM 5.402,--. Im Hinblick auf die geschlossene Ehe änderte die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.09.1999 die Lohnsteuerklasse von Klasse I nach Klasse V. Für den Ehemann der Klägerin wurde die Steuerklasse III (statt bisher Klasse I) eingetragen. Der Klägerin wurde daraufhin ab dem 01.09.1999 Alg i.H.v. wöchentlich DM 213,29 (Leistungsgruppe D/0) bis zur Erschöpfung des Anspruches am 30.11.1999 bewilligt. Dem Ehemann der Klägerin wurde ab dem 01.09.1999 Alg nach der Leistungsgruppe C/0 bewilligt.
Am 26.10.1999 wechselten die Klägerin und ihr Ehemann mit Wirkung ab dem 01.11.1999 die Lohnsteuerklassen jeweils nach Klasse IV. Durch Bescheid des AA vom 24.11.1999 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass der Lohnsteuerklassenwechsel nach dem Verhältnis der Arbeitsentgelte nicht zweckmäßig sei und daher Alg weiterhin nach der Leistungsgruppe D (entsprechend der Steuerklasse V) geleistet werde. Der Wechsel der Steuerklasse wurde beim Ehemann der Klägerin dagegen berücksichtigt. Ihm wurde mit Bescheid vom 07.12.1999 Alg ab 01.11.1999 -- unter teilweiser Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung erbrachter Leistungen -- nach der Leistungsgruppe A/0 (entsprechend der Steuerklasse IV) gewährt.
Gegen den Bescheid vom 24.11.1999 erhob die Klägerin am 21.12.1999 Widerspruch mit der Begründung, es sei rechtlich nicht zulässig, den Steuerklassenwechsel bei ihrem Ehemann zu berücksichtigen, bei ihr jedoch unberücksichtigt zu lassen. Sie wäre bereit, eine Rückgängigmachung des Steuerklassenwechsels zu akzeptieren. Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 12.01.2000 zurückgewiesen.
Am 11.02.2000 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Ziel, die Beklagte zur Gewährung von weiterem Arbeitslosengeld i.H.v. DM 336,60 zu verurteilen. Sie trug zur Begründung vor, die Nichtberücksichtigung des von ihr vorgenommenen Steuerklassenwechsels sei nicht rechtens. Es liege ein gemeinsamer Antrag von ihr und ihrem Ehemann vor. Die Beklagte hätte entweder den Steu...