Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7. aktive Hilfeleistung gegenüber Dritten. Hinterherlaufen hinter einer bewaffneten Person und die bloße Anwesenheit bei einer Schießerei

 

Leitsatz (amtlich)

Das bloße Hinterherlaufen hinter einer bewaffneten Person und die bloße Anwesenheit bei einer Schießerei ohne dabei Dritten Hilfe zu leisten erfüllt nicht den Tatbestand des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a Alt 2 SGB VII.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 8 Abs. 1; StGB § 323c

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. März 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Ereignisses vom 04.07.2012 als Arbeitsunfall.

Der 1956 geborene Kläger machte in seiner Unfallanzeige vom 16.08.2012 ein Ereignis vom 04.07.2012 als Arbeitsunfall geltend. Er führte aus, er habe mit seinem Kollegen S. (S) einen gewaltbereiten, mit einem Messer bewaffneten Mann in der Innenstadt verfolgt, um Passanten vor ihm zu warnen und zu schützen. Dabei sei er Zeuge geworden, als dieser von zwei Polizisten erschossen worden sei. Aktenkundig wurde der Durchgangsarztbericht des Dr. A. vom 01.08.2012, in dem dieser den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung äußerte.

Die Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwalt B. bei. Aus den darin enthaltenen Angaben der gehörten Zeugen sowie weiteren Ermittlungen geht hervor, dass der psychisch kranke Täter auf dem Weg aus einem Tabakgeschäft in Richtung Rathaus vor einer Bäckerei einen Stuhl auf zwei vor der Bäckerei sitzende Frauen warf, wobei eine Frau leicht an der Stirn getroffen wurde. Im Anschluss daran kam es zur Verfolgung durch eine Angestellte des Tabakgeschäftes, Frau C.-D., zwei Angestellte der Bäckerei, die Frauen E. und F., eine Freundin der vor der Bäckerei geschädigten Frau, Frau G., zwei Passanten, die Herren H. und I., sowie den Kläger und S. Der Täter wurde aufgefordert, stehen zu bleiben, woraufhin dieser aus seiner Jacke ein Messer zog und drohte. Zudem wurde ein Unbeteiligter, der Jugendliche J., Opfer einer durch den Täter begangenen Körperverletzung, indem er diesen mit den Fingernägeln in den Hinterkopf krallte und zugleich aufforderte, zu “verschwinden„. Im weiteren Verlauf begab sich der mit einem Messer “herumfuchtelnde„ Täter im Bereich des Marktplatzes in einen Hauseingang. Von einer zwischenzeitlich eingetroffenen Streifenwagenbesatzung des Polizeireviers K. wurde der Täter aufgefordert, den Hauseingang zu verlassen. Nachdem der das Messer noch in der Hand haltende Täter zielstrebig auf die Beamten zugegangen war und trotz mehrfacher Aufforderung, die Waffe fallen zu lassen, und der Abgabe eines Warnschusses, fortgesetzt in Richtung der Polizisten gegangen war und dabei Stichbewegungen ausgeführt hatte, gaben die beiden Polizisten mehrere Schüsse ab und verletzten dadurch den Täter tödlich. Nach den Angaben der als Zeugin befragten Frau C.-D. stand der Kläger während und nach der Schussabgabe in der Nähe der Bäckerei und nahm von dort aus die Tötung des Täters wahr. Die weiteren als Zeugen befragten Personen machten keine Angaben zum Kläger.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.11.2012 die Anerkennung eines Versicherungsfalles ab. Voraussetzung sei das Bestehen eines inneren/sachlichen Zusammenhanges zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses. Diese wertende Zurechnungsentscheidung orientiere sich an der jeweilig grundsätzlich versicherten Tätigkeit. Das bloße verbale Hinwirken, um andere zu warnen, reiche zur Anerkennung einer Hilfeleistung nicht. In den vorliegenden Staatsanwaltschaftsakten sei der Kläger lediglich einmal namentlich im Rahmen einer Zeugenbefragung erwähnt. Er selbst sei zu dem Vorfall nicht vernommen worden. Ein aktives Handeln zu Gunsten einer dritten Person sei nicht ersichtlich.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Aktenkundig wurde der Befundbericht des Zentrums für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums B. vom 02.11.2012, wonach beim Kläger eine Anpassungsstörung und eine partielle posttraumatische Belastungsstörung bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 24.05.2013 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben die er im Wesentlichen damit begründet hat, dass er und sein Kollege den Täter verfolgt hätten, um weiteren Schaden an Passanten zu verhindern. Kurz nachdem der Täter von ihnen in einer Hauseingangsnische entdeckt worden sei, hätten sie die Lage sondiert und sich so aufgestellt, dass sie rechtzeitig Passanten hätten warnen können. Wenige Augenblicke später sei auch schon die Polizei eingetroffen, so dass sie glücklicherweise nicht hätten eingreifen müssen. Durch die Beobachtung der Erschießung habe er ei...

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