Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. sachlich-rechnerische Richtigstellung im Quartal 2/2014. Anforderungen an Fremdanamnese nach Gebührenordnungsposition (GOP) 21216 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM. juris: EBM-Ä 2008). keine Erforderlichkeit umfassender Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten
Leitsatz (amtlich)
Für die Fremdanamnese nach der GOP 21216 EBM bedarf es nicht der umfassenden Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken. Gespräche über die Vorkommnisse und Entwicklungen des Kranken während des letzten Quartals oder seit der letzten Visite sind ausreichend und genügend.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.10.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Gerichtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Widerspruchsverfahren.
Der Streitwert wird endgültig auf 6.809,60 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars des Klägers für das Quartal 2/2014 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger war im streitigen Quartal als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in K zugelassen.
Mit Schreiben vom 31.07.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass im Rahmen einer Überprüfung von Abrechnungen auf zeitliche Plausibilität seine Abrechnung auffällig gewesen sei. Es sei in den Quartalen 1/2009 bis 4/2009 und 2/2010 bis 4/2010 sowohl die Quartalzeit als auch die tägliche Arbeitszeit überschritten worden. Des Weiteren sei festgestellt worden, dass die Kombination der Gebührenordnungsposition (GOP) 21231 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM; Kontinuierliche Mitbetreuung in beschützenden Einrichtungen oder Heimen) in Verbindung mit der GOP 21216 EBM (Fremderhebung der Krankheitsvorgeschichte, Anleitung von Bezugspersonen) nahezu routinemäßig beim ersten Besuch/Mitbesuch abgerechnet worden sei. Hierzu nahm der Kläger mit Schreiben vom 10.10.2013 dahingehend Stellung, dass er, weil er eine hohe Zahl an psychiatrischen, gerontopsychiatrischen sowie auch - anders als die Fachgruppe - forensisch-psychiatrische Patienten versorge, gegenüber der Fachgruppe eine höhere Fallzahl habe. Der stetige Fallzahlanstieg beruhe auf einer stärkeren Nachfrage psychiatrischer Versorgung, insbesondere auch in Heimen. Die hohe Zahl von Heimpatienten sei auch ursächlich für die Überschreitungen der Tagesarbeitszeit, sodass die GOPen 21231 und 21216 EBM häufiger als bei der Fachgruppe zur Abrechnung kämen. Auf dieses Vorbringen entgegnete die Beklagte, dass ein routinemäßiger Ansatz der GOP 21231 EBM in Verbindung mit der GOP 21216 EBM nicht nachvollzogen werden könne. Sie bat unter Beifügung einer Patientenliste um Angabe der Bezugsperson, mit der jeweils gesprochen worden sei. Der Kläger erläuterte hierauf mit Schreiben vom 03.03.2014 das Krankheitsbild zweier Patienten und teilte unter Benennung von Pflegern und Pflegedienstleitern mit, dass er bei den Visiten die Patienten teils in Begleitung des Pflegepersonals aufsuche, wobei er sich vor der Visite von Seiten des Pflegepersonals zur Anamnese informiert habe. Im Allgemeinen seien die Schwestern oder Pfleger auf der Station seine Gesprächspartner, in einigen Heimen werde die Visite auch von der Pflegedienstleitung begleitet. Die Beklagte beendete den Vorgang mit Schreiben vom 23.04.2014, in dem sie den Kläger abschließend darauf hinwies, es sei festgestellt worden, dass die GOP 21231 EBM in Verbindung mit der GOP 21216 EBM nahezu routinemäßig beim ersten Besuch abgerechnet worden sei und dies mit einer Überschreitung bis über 477 % über der Prüfgruppe. Die angesprochenen zeitlichen und statistischen Auffälligkeiten seien unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Klägers durch den Plausibilitätsausschuss erörtert und beurteilt worden. Dieser weise nachdrücklich darauf hin, dass die Abrechnung der GOP 21216 EBM voraussetze, dass der Patient wegen schwerer psychischer Erkrankung in seiner Kommunikationsfähigkeit gestört sei. Unter dem zweiten Leistungsteil „Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen“ seien nicht die normalen und sich ggf. regelmäßig wiederholenden Gespräche mit Pflegepersonen gemeint. Es müsse sich insoweit immer um eine ausführliche Anleitung einer Bezugsperson im Zusammenhang mit der Behandlung eines schwer psychisch erkrankten Patienten handeln. Derzeit werde hinsichtlich der GOP 21216 EBM keine Berichtigung durchgeführt. Bei den zukünftigen Abrechnungen werde aber darauf geachtet, ob die Einhaltung der betreffenden Richtlinien vom Kläger streng berücksichtigt werde.
In dem für das Quartal 2/2014 ergangenen Honorarbescheid vom 15.10.2014 wurden dem Kläger u.a. die GOP 21231 EBM, die GOP 21216 EBM (in 592 Fällen) und die GOP 21220 EBM (Psychiatrisches Gespräch...