Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Regelsatz. Geltendmachung eines behinderungsbedingt erhöhten Bedarfs. keine abweichende Festlegung des individuellen Bedarfs. Bedarfsdeckung durch Regelsatz und Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB 12. Unterkunft und Heizung. Zulässigkeit des Abzugs einer Haushaltsenergiepauschale von den tatsächlichen Aufwendungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anrechnung der bereits im Regelsatz berücksichtigten Haushaltsenergie auf die Kosten der Unterkunft ist im Recht der Sozialhilfe (SGB 12) anders als im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB 2) zulässig.
2. Zu den Anforderungen an den Nachweis für einen erhöhten Kleiderbedarf.
Orientierungssatz
1. Eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf iS des § 27a Abs 4 S 1 SGB 12, welche eine abweichende Festlegung des individuellen Bedarfs vom Regelsatz rechtfertigen würde, liegt nicht vor, wenn der geltend gemachte Bedarf seiner Höhe nach durch den im Regelsatz für diesen Bedarf enthaltenen Anteil bzw durch den Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB 12 gedeckt werden kann.
2. Der Mehrbedarfszuschlag des § 30 Abs 1 SGB 12 ist nur für solche Bedarfstatbestände und Aufwendungen zu gewähren, die gerade auch auf das eingeschränkte Gehvermögen zurückzuführen sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. November 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren über die Höhe von Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011.
Die 1988 geborene Klägerin ist körperlich und geistig behindert. Bei ihr bestehen insbesondere eine spastische Paraparese (beidseitige inkomplette Lähmung) beider Beine, eine mittel- bis schwergradige Intelligenzminderung sowie eine überaktive Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit Bewegungsstereotypien und aggressivem sowie autoaggressivem Verhalten. Sie ist pflegebedürftig nach Pflegestufe III; ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das Merkzeichen aG sind anerkannt. Zur Fortbewegung bedarf sie entweder eines Rollstuhls oder - für kürzere Strecken - eines Gehwagens oder Rollators. Dabei steht sie verstärkt auf dem Vorfuß in Knie-Hüftbeugestellung. Insbesondere zu Hause bewegt sich die Klägerin vorwiegend auf den Knien fort.
Die Klägerin und ihre Mutter wohnen als Mieterinnen in der Eigentumswohnung des dort ebenfalls wohnhaften volljährigen Bruders der Klägerin (fünf Haushaltsangehörige insgesamt). Neben einer Kaltmiete haben die Mieterinnen hierfür eine pauschale Vorauszahlung für nicht näher aufgeschlüsselte Nebenkosten zu entrichten.
Die Klägerin besucht den Förderbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen. Von der Beklagten erhält sie hierfür Leistungen der Eingliederungshilfe. Außerdem bezieht sie seit 1. Juli 2009 (seit 23. September 2009 von der Beklagten) Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII). Zuletzt wurden der Klägerin mit Bescheid vom 7. April 2011 ab dem 1. Januar 2011 und bis auf Weiteres Grundsicherungsleistungen in Form des Regelsatzes in Höhe von 291,00 €, eines Mehrbedarfszuschlags nach § 30 Abs. 1 SGB XII in Höhe von 49,47 € sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung (Kaltmiete 250,00 € plus Nebenkosten mit Heizung inklusive Warmwasseranteile in Höhe von 50,00 €) gewährt. Dabei nahm die Beklagte - seit Leistungsbeginn - einen Abzug von den übernommenen Nebenkostenvorauszahlungen für die bereits im Regelsatz berücksichtigte Haushaltsenergie in Höhe von - seit 2011 - 22,62 € vor; insgesamt wurden der Klägerin Grundsicherungsleistungen in Höhe von 617,85 € gewährt.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2011 beantragte die Betreuerin der Klägerin zusätzliches Kleidergeld. Die Klägerin habe wegen der Körperbehinderung einen erhöhten Verschleiß an Schuhen, Hosen, Unterwäsche und Bettwäsche. In der Wohnung bewege sich die Klägerin auf ihren Knien, weil das für sie angenehmer sei. Dadurch würden die Hosen schneller abgenutzt. Beim Gehen auf den Zehenspitzen ziehe sie einen Fuß nach, sodass es zum einseitigen schnellen Verschleiß der Schuhe komme. Schuhe und Hose müssten wesentlich häufiger als bei normaler Abnutzung angeschafft werden, was aus den Grundsicherungsleistungen nur schwer zu finanzieren sei. Bei Unterwäsche und Bettwäsche bestehe ein zusätzlicher Bedarf, da die Klägerin nachts häufig einnässe. Mit Bescheid vom 7. November 2011 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass mit dem monatlichen Regelsatz u.a. die Bedarfe Kleider und Hausrat abgedeckt seien. Ein Teil der geltend gemachten Bedarfe (Unterwäsche und Wäsche aufgrund des Einnässens) sei von Leistungen der Pflegeversicherung abzudecken. Der Betreuerin wurde angeboten, der Klägerin einen Kleiderlagerschein auszustellen. Hie...